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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Thomas
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Füße zum Einsatz und versuchte, seinem Gegner in den Bauch zu treten, während eine Horde betrunkener junger Bravi di Calze , die um die Kämpfenden herumstanden, laute Anfeuerungsrufe ausstießen.
    »Ihm muss ein Schwein auf den Kopf gefallen sein«, sagte Vittore entschieden. In bewunderndem Tonfall fügte er hinzu: »Was für ein Schlag! Ich wusste gar nicht, dass der Junge so kämpfen kann!«
    Piero hatte bereits das Tau ergriffen und schlang es hastig um einen der Pfähle an der Anlegestelle. Ohne zu zögern, sprang er an Land.
    »Pasquale!«, schrie er. Beim Näherkommen sah er, dass Pasquales Gesicht nicht nur tränenüberströmt, sondern bis zur Unkenntlichkeit von Hass verzerrt war.
    Das halbe Dutzend junger Männer war vorgerückt, aufgeheizt vom Alkohol und der Gier nach Gewalt. Das Geschrei nahm an Lautstärke zu. »Schlag ihn! Mach ihn fertig! Ja, tritt nur ordentlich zu!«
    Als Piero nur noch wenige Schritte vom Kampfplatz entfernt war, wich der Fremde mit der Maske plötzlich zurück, und Pasquale, vom Schwung seines letzten Tritts vorwärts getragen, taumelte ins Leere. Einer der Bravi bewegte sich nach vorn und stellte Pasquale ein Bein, woraufhin dieser der Länge nach hinschlug. Johlender Beifall mischte sich mit enttäuschten Ausrufen der Umstehenden, je nachdem, auf welche der beiden Streithähne die Einzelnen gewettet hatten.
    »Feigling«, brüllte einer der Schaulustigen dem Flüchtenden hinterher. Doch der Fremde mit der Maske war bereits im Menschengewühl auf der Piazza verschwunden.
    Pasquale rappelte sich hoch. Er schluchzte und stieß unverständliche Laute aus. Aus seiner Nase strömte Blut. Er musste beim Sturz mit dem Gesicht aufs Pflaster geschlagen sein. Seine Hemdbrust triefte bereits vor Blut.
    Doch dann sah Piero, dass dieses Blut nicht aus der Nase des Jungen stammte, dafür war es zu viel. Und als Pasquale sich vollends hochstemmte und ihm dabei für einen Moment die Seite zuwandte, war zu erkennen, dass die grobe Wolle seines Wamses auch am Rücken blutgetränkt war.
    Pieros Herz raste, während er die wenigen Schritte zurücklegte, die ihn noch von dem Jungen trennten. Er fasste ihn beim Arm. »Pasquale! Du bist verwundet!«
    »Das ist nichts«, gab Pasquale keuchend zurück, während er Pieros Hand ungeduldig abschüttelte. »Helft ihr, Maestro ! Helft dem Mädchen!«
    Er lief voraus, während die Bravi bereits begannen, sich in der anderen Richtung vom Schauplatz des Geschehens zu entfernen.
    »Hier drüben!«, rief Pasquale. Er rannte über die Brücke. Seine schlaksigen Arme und Beine bewegten sich unbeholfen, aber so schnell wie Dreschflegel. Das blutgetränkte Wams sah Furcht erregend aus, und Piero fragte sich abermals besorgt, wie schlimm der Junge verwundet war.
    Er folgte Pasquale in eine Calle , dann über eine weitere Brücke und auf der anderen Seite ein Stück die Fondamenta entlang. Hier waren ebenfalls Menschen unterwegs, allein und in Grüppchen, doch es waren bei weitem nicht so viele wie auf dem Markusplatz. Pasquale wich ihnen geschickt aus und vergewisserte sich jedes Mal mit einem hastigen Blick über die Schulter, dass sein Herr ihm folgte. Sie kamen an einer überfüllten Schenke vorbei, vor der sich ein Mann just in dem Moment erbrach, als Piero auf gleicher Höhe war. Er versuchte auszuweichen, konnte aber nicht verhindern, dass seine Schuhe in Mitleidenschaft gezogen wurden. An der nächsten Ecke wurde er von einer dürftig bekleideten Dirne aufgehalten, die ihm wahlweise für ein paar Soldi oder eine Flasche Branntwein ihre Liebesdienste anbot. Als er sie endlich umrundet hatte, war Pasquale verschwunden, tauchte aber zum Glück nach der nächsten Abzweigung wieder auf.
    Geduckt liefen sie zwischen den Säulen eines kaum schulterhohen Sottoportego hindurch, um in einer nach verfaulendem Gemüse stinkenden Gasse wieder herauszukommen. Ein weiteres Mal bog der Junge noch ab und lief schließlich hinter einer im Bau befindlichen Kirche in eine Gasse, die so schmal war, dass die angrenzenden Häuserfronten zusammenzuwachsen schienen.
    Der schmale Durchlass schien abrupt vor einer Mauer zu enden, doch Pasquale hielt in vollem Lauf darauf zu und verschwand um die Ecke. Piero lief ihm nach, in eine weitere Gasse, ebenso schmal wie die vorangegangene. Sie führte in einen winzigen Cortile , an dessen Mauern sich Unrat auftürmte. Bei ihrem Eintreffen bewegte sich am äußeren Rand des kleinen Hofes ein bepelzter Schatten, und einen Augenblick später
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