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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin
Autoren: Roy Baumeister
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Seiten darauf, um seinen Lesern zu erklären, wie sie zu lächeln haben. Mit dem richtigen Lächeln gewinne man andere Menschen, und das sei der Schlüssel zu Erfolg, versicherte er. Peale und andere Autoren fanden sogar einen noch einfacheren Weg.
    »Der entscheidende Faktor der Psychologie ist der erfüllbare Wunsch«, schrieb Peale. »Wer davon ausgeht, dass er erfolgreich sein wird, der ist bereits erfolgreich.« In seinem Millionenseller
Denke nach und werde reich
10 forderte Napoleon Hill seine Leser auf, sich zu überlegen, wie viel Geld sie besitzen wollen, diese Summe auf ein Stück Papier zu schreiben – und dann daran zu glauben, dass sie sich schon in ihrem Besitz befände. Die Bücher dieser Gurus verkauften sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, und die Wohlfühl-Psychologieließ sich in einem einfachen Slogan zusammenfassen: »Du musst nur daran glauben.«
    Unter dem Einfluss dieser neuen Philosophie veränderte sich der Charakter der Menschen, wie der Psychoanalytiker Allen Wheelis beobachtete. Ende der fünfziger Jahre verriet dieser ein Geheimnis seiner Branche: Die Freudsche Psychoanalyse funktionierte nicht mehr. In seinem bahnbrechenden Werk
Wer wir sind und was uns bleibt
11 beschrieb Wheelis, wie sich der Charakter der Menschen seit Freuds Zeiten verändert hatte. Die Angehörigen der Mittelschicht, die noch im Kaiserreich groß geworden waren und das Gros von Freuds Patienten ausmachten, brachten einen eisernen Willen mit, weshalb es dem Therapeuten schwerfiel, ihre psychischen Abwehrmechanismen und ihr moralisches Empfinden zu überwinden. Freuds Therapien legten daher das Schwergewicht darauf, diese Mechanismen zu brechen und den Patienten die Ursachen für ihre Neurosen und ihr psychisches Leid zu zeigen; sobald die Patienten diese Erkenntnis besaßen, konnten Veränderungen relativ einfach erfolgen. Zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatten sich die Abwehrmechanismen jedoch verändert. Wheelis und seine Kollegen stellten fest, dass ihre Patienten sehr viel schneller zu Einsichten gelangten als zu Freuds Zeiten, dass die Therapie jedoch an diesem Punkt oft stockte und scheiterte. Die Patienten hatten nicht mehr den robusten Charakter früherer Generationen und damit nicht die Kraft, ihre Erkenntnisse umzusetzen und ihr Leben zu verändern. In der Freudschen Terminologie beschrieb Wheelis den Niedergang des Über-Ichs in der westlichen Gesellschaft, aber im Grunde meinte er nichts anderes als das Verschwinden des Willens – und das noch vor der Generation der 68er mit ihrem Mantra »Was sich gut anfühlt, ist gut«.
    Die populäre Kultur der siebziger Jahre feierte die Selbstverhätschlung. Immer mehr Sozialwissenschaftler brachten immer neue Argumente vor, um zu zeigen, dass es so etwas wie einen Willen nicht geben konnte. Nach dieser Theorie hatte individuelles Fehlverhalten seine Ursachen in der Umwelt: Schuld waren Armut, Unterdrückungund andere Einflüsse, und damit die Wirtschaft und die Politik. Die Suche nach den gesellschaftlichen Ursachen ist oft für alle Beteiligten angenehmer, auch für die Akademiker, die im Zeitalter der politischen Korrektheit Angst davor haben, »die Schuld bei den Opfern zu suchen«, wenn sie andeuten, jemand könne an seinen Problemen auch selbst Schuld haben. Gesellschaftliche Probleme scheinen leichter lösbar als charakterliche Schwächen, zumindest aus Sicht der Sozialwissenschaftler, die immer neue Maßnahmen und Programme zu deren Beseitigung entwickeln.
    Die Vorstellung, dass wir uns bewusst beherrschen und kontrollieren können, fand unter Psychologen wenig Freunde. Die Freudianer behaupteten, unser Verhalten sei das Resultat von Kräften und Prozessen, die sich in unserem Unbewussten abspielten. Der Behaviorist B. F. Skinner hatte für das Bewusstsein und mentale Prozesse insgesamt wenig übrig, für ihn dienten sie bestenfalls zur Verstärkung von erlernten Verhaltensweisen. In
Jenseits von Freiheit und Würde
12 behauptete er, um den Menschen zu verstehen, müsse man die altmodischen Begriffe im Titel seines Buches vergessen. Zwar sind Skinners Theorien inzwischen weitgehend widerlegt, doch ihr Grundgedanke lebt weiter, wenn Psychologen behaupten, das Bewusstsein sei dem Unterbewussten ungeordnet. Der Wille war für sie so unwichtig, dass er in den modernen Persönlichkeitsmodellen nicht einmal vorkommt. Neurowissenschaftler behaupten sogar, sie hätten bewiesen, dass es ihn nicht gebe. Auch Philosophen weigern sich, den Begriff zu verwenden;
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