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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin
Autoren: Roy Baumeister
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verlässlich zu messen, griffen die Wissenschaftler zu verschiedenen Methoden (Beobachtungen der Wissenschaftler selbst, Berichte von Eltern und Lehrern sowie Selbstbeschreibungen der Kinder). Dann verglichen sie die Ergebnisse mit einer Vielfalt von Verhaltensweisen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wer als Kind über ein höheres Maß an Selbstdisziplin verfügte, war im Erwachsenenalter gesünder, hatte mit geringerer Wahrscheinlichkeit Übergewicht oder Geschlechtskrankheiten und sogar gesündere Zähne (zur Selbstdisziplin gehören offenbar auch regelmäßiges Zähneputzen und die Verwendung von Zahnseide). Die Selbstdisziplin hatte zwar keine Auswirkungen auf Depression im Erwachsenenalter, doch führte ihr Mangel häufiger zu Alkohol- und Drogenproblemen. Je unbeherrschter die Teilnehmer im Kindesalter waren, umso weniger verdienten sie als Erwachsene, umso weniger Geld hatten sie auf dem Konto oder für die Altersvorsorge zurückgelegt und umso geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den eigenen vier Wänden lebten. Kinder mit mangelnder Selbstdisziplin waren als Erwachsene häufiger geschieden oder Alleinerziehende, vermutlich weil sie nicht die Disziplin aufbrachten, eine langfristige Beziehung einzugehen. Wer dagegen schon als Kind eine angemessene Selbstdisziplin aufgewiesen hatte, lebte später mit größerer Wahrscheinlichkeit in einer stabilen Ehe und erzog seine Kinder in einem gemeinsamen Haushalt. Und schließlich landeten Teilnehmer, die sich schon als Kinder nicht beherrschen konnten, später eher im Gefängnis: Von den Teilnehmern, die als Kind die geringste Selbstdisziplin mitgebracht hatten, waren 40 Prozent im Alter von 32 Jahren mindestens einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, im Vergleich zu 12 Prozent der Testpersonen, die als Kinder ein hohes Maß an Selbstdisziplin an den Tag gelegt hatten.
    Diese Unterschiede hingen zwar zum Teil auch mit der Intelligenz, der ethnischen Herkunft und der sozialen Schicht zusammen, doch die Willenskraft stellte mit Abstand den einflussreichsten Faktor dar. In einer Nachfolgeuntersuchung erhoben dieselben WissenschaftlerDaten zu den Geschwistern in derselben Familie und verglichen sie mit den Daten von Kindern aus ähnlichen Familien. Wieder ging es denjenigen, die als Kinder unbeherrschter gewesen waren, im Erwachsenenalter durchgängig schlechter: Sie hatten mehr gesundheitliche Probleme und weniger Geld in der Tasche und saßen mit größerer Wahrscheinlichkeit im Gefängnis. Die Resultate hätten nicht eindeutiger ausfallen können: Selbstdisziplin ist eine entscheidende Stärke und ein Schlüssel zu einem erfolgreichen Leben.
    Evolution und Etikette
    Während Psychologen die Vorteile der Selbstdisziplin erkannten, versuchten Anthropologen und Neurowissenschaftler 21 zu verstehen, wie sie sich entwickelt hatte. Das menschliche Gehirn zeichnet sich durch seine großen und komplexen Frontallappen aus, denen wir eine Fähigkeit verdanken, die lange als entscheidender evolutionärer Vorteil der Menschen galt: die Intelligenz, mit der wir Probleme in unserer Umwelt lösen. Ein Tier mit einem größeren Gehirn müsse doch eher in der Lage sein, zu überleben und sich zu vermehren, als ein Tier mit einem kleineren Gehirn, so die Logik. Aber ein großes Gehirn benötigt auch eine Menge Energie. Das Gehirn eines erwachsenen Menschen macht zwar nur 2 Prozent des Körpergewichts aus, aber es verbraucht 20 Prozent der Energie. Die zusätzliche graue Masse ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn das Tier mit ihrer Hilfe die zusätzlichen Kalorien heranschafft, die zu ihrem Unterhalt erforderlich sind. Daher konnten Wissenschaftler lange Zeit nicht nachvollziehen, wie sich das Gehirn bezahlt macht. Wie kam es also, dass die Menschen immer größere Gehirne mit immer stärkeren Frontallappen entwickelten?
    Einige Wissenschaftler suchten die Erklärungen bei Bananen und anderen nährstoffreichen Früchten. Tiere, die sich von Gras ernähren, müssen nicht lange darüber nachdenken, wo ihre nächste Mahlzeit herkommt. Aber ein Baum, der letzte Woche noch voller reifer Bananenhing, ist heute leergefressen oder hat nur noch verfaultes Obst zu bieten. Wer sich von Bananen ernährt, braucht demnach ein größeres Gehirn, um sich daran zu erinnern, wo die reifen Früchte sind, und dieses Gehirn würde von den zusätzlichen Kalorien der Bananen angetrieben. Insofern schien die Theorie vom »bananensuchenden Gehirn« schlüssig – aber nur auf dem Papier. Als
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