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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin
Autoren: Roy Baumeister
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auf. Und in der Tat bekamen diejenigen Jugendlichen, die im Alter von vier Jahren mehr Willenskraft gezeigthatten, in der Schule bessere Noten. Wer als Kind eine ganze Viertelstunde auf seine Belohnung gewartet hatte, erzielte beim Test für den Hochschulzugang durchschnittlich um fast 10 Prozent bessere Ergebnisse als andere, die der Versuchung bereits nach einer halben Minute erlegen waren. Die Kinder mit größerer Willenskraft waren beliebter bei ihren Klassenkameraden und Lehrern. Sie verdienten mehr Geld. Sie wiesen einen besseren Body-Mass-Index auf und waren seltener übergewichtig. Sie hatten weniger Drogenprobleme.
    Dies war umso erstaunlicher, als Ergebnisse aus Experimenten in der frühen Kindheit nur selten Aufschluss über die persönlichen Eigenschaften im späteren Leben geben. Genau diese Erkenntnis war es auch gewesen, die der Freudschen Psychoanalyse den Todesstoß versetzt hatte, denn diese hatte frühkindliche Erlebnisse als Grundlage der erwachsenen Psyche gesehen. Als Martin Seligman in den neunziger Jahren die Forschungsliteratur auswertete, fand er keinen Hinweis darauf, dass Erlebnisse aus der Kindheit Auswirkungen auf die Persönlichkeit im Erwachsenenalter haben, von schweren Traumata und Unterernährung einmal abgesehen. 15 Besaß jemand ein sonniges Gemüt oder war er ein Griesgram, so ließ sich das eher auf angeborene Eigenschaften zurückführen. Es kann durchaus sein, dass die Willenskraft, sich einem Marshmallow zu widersetzen, eine genetische Komponente hat, aber sie schien auch erlernbar. Es war einer der seltenen Fälle, in denen sich ein Vorteil aus der Kindheit ein Leben lang auszahlt.
    Das ist umso bemerkenswerter, wenn man sich die Vorteile der Selbstdisziplin insgesamt ansieht. Genau das tat Roy Baumeister in seinem Fachbuch
Losing Control
16 , das er 1994 mit seiner Frau Dianne Tice von der Case Western University und seinem Kollegen Todd Heatherton von der Harvard University veröffentlichte. »Mangelhafte Selbstregulation ist die gravierendste gesellschaftliche Krankheit unserer Zeit«, schrieben sie und verwiesen auf hohe Scheidungsraten, häusliche Gewalt, Verbrechen und eine Vielzahl weiterer Probleme. Das Buch regte weitere Experimente und Untersuchungen an, unteranderem die Entwicklung einer Skala zur Messung der Selbstdisziplin in Persönlichkeitstests. 17 Als Psychologen die Noten von Studenten mit rund drei Dutzend Persönlichkeitseigenschaften verglichen, stellten sie fest, dass Selbsdisziplin die
einzige
Eigenschaft war, die in direktem Zusammenhang mit den Noten stand. 18 Selbst der Intelligenzquotient und das Ergebnis des Hochschulzugangstests gaben weniger Aufschluss über die späteren Leistungen an der Universität. Intelligenz stellte zwar offensichtlich einen Vorteil dar, doch die Untersuchung zeigte, dass die Selbstdisziplin wichtiger war, da sie den Studenten half, regelmäßig an ihren Vorlesungen teilzunehmen, ihre Hausaufgaben rechtzeitig zu beginnen sowie mehr Zeit auf ihr Studium und weniger auf ihre Freizeitgestaltung zu verwenden.
    Am Arbeitsplatz werden Führungskräfte mit größerer Selbstdisziplin von ihren Mitarbeitern und Kollegen besser bewertet. Menschen mit guter Selbstdisziplin scheint es besser möglich, stabile und befriedigende Beziehungen zu anderen Menschen zu knüpfen. Sie zeigen mehr Empathie und sind eher in der Lage, Dinge aus der Sicht der anderen zu sehen. Sie sind emotional gefestigter und neigen weniger zu Angst, Depression, Paranoia, Psychosen, zwanghaften Verhaltensweisen, Essstörungen, Alkoholproblemen und anderen psychischen Leiden. Sie reagieren weniger häufig mit Ärger, und wenn, dann werden sie seltener aggressiv, weder verbal noch physisch. Menschen mit mangelnder Selbstdisziplin schlagen dagegen ihre Partner eher und begehen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine ganze Reihe anderer Delikte. Das Muster war eindeutig, wie June Tangney nachwies, die in Zusammenarbeit mit Baumeister ein Maß für Selbstdisziplin in Persönlichkeitstests entwickelte. Bei der Untersuchung von Häftlingen 19 stellte sie beispielsweise fest, dass diejenigen Straftäter mit mangelnder Selbstdisziplin nach ihrer Haftentlassung mit größerer Wahrscheinlichkeit erneut straffällig wurden.
    Der beste Beweis stammt jedoch aus dem Jahr 2010. In einer beispiellosen, langfristig angelegten Untersuchung verfolgte ein internationales Forscherteam eintausend neuseeländische Kinder 20 von derGeburt bis zum 32. Lebensjahr. Um die Selbstdisziplin
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