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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition)
Autoren: Shannon McKenna
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heller Glorienschein krönte sein Haar. Das engelsgleiche Mädchen schaute ihn mit furchtlosen, unergründlichen Augen an; es sah kein Monster, wie aus einem Albtraum entsprungen, sondern wirklich ihn. Sie verlor sich in der Ferne, als sie ihn abführten. Ihr mitleidiger Blick ruhte weiter auf ihm, während er sich verzweifelt den Hals verrenkte, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Er rief nach ihr, aber sie war zu weit weg –
    Kev rang nach Luft, fühlte den scharfen Übergang zwischen Träumen und Wachen, doch die Erinnerung an seinen kleinen Engel verweilte. An diese unergründlichen, sanften Augen. An den Mann, den er um Hilfe angefleht und der ihn im Gegenzug angebrüllt hatte, still zu sein, zu verschwinden, ihn in Ruhe zu lassen. An den Sicherheitsdienst, der ihn weggebracht hatte. Und an einen Namen. Jemand schrie einen Namen. Den des Monsters, das gestoppt werden musste.
    Osta…
Ostamen
…?
    Dann war er weg.
Verdammt
. Er verflüchtigte sich wie Nebelschwaden.
    Kev schnappte nach Luft, durchstöberte sein Hirn nach dem Namen. Das hier kam ihm vor wie … verdammt, es kam ihm vor wie eine Erinnerung. Nicht wie ein Traum, sondern wie eine
Erinnerung
.
    Aufregung durchströmte ihn. Er versuchte, die Augen zu öffnen. Das Licht blendete ihn. Der Geruch von Desinfektionsmitteln malträtierte seine Nase. Sein Kopf pochte, sein Innerstes war in Aufruhr. Undefinierbare Geräusche hämmerten gegen seinen Schädel.
    Kev unternahm einen weiteren Versuch, die Augen zu öffnen und den Kopf zu wenden. Ohne Erfolg. Auf seine Lider drückte ein Gewicht. Sein Körper war wie aus Blei. Seine Anstrengung, sich zu bewegen, verursachte …
Schmerz
. Unbeschreiblichen, verzehrenden Schmerz, wie er ihn nicht mehr empfunden hatte, seit –
    Sein Bewusstsein zuckte vor dem Gedanken zurück, als hätte er einen Hochspannungszaun berührt. Nein, es war eine Erinnerung. Er hatte eine verfluchte
Erinnerung
berührt. Oh Gott. Und sie tat weh. Die Erinnerung tat weh. Kev versuchte, sich zu beruhigen.
Atme
.
    Was zur Hölle passierte gerade mit ihm? Er war vor Angst wie von Sinnen. Die Geräusche und Gerüche waren entsetzlich intensiv. Er wollte schreien, sich zusammenkrümmen, weinen. Sich verstecken.
    Instinktiv nahm er Zuflucht zu der Vision seines kleinen Engels. Seinem magischen Talisman. Die sanften grauen Augen betrachteten ihn ruhig. Weise und freundlich. Er hielt sich an ihm fest, bis die Panik nachließ. Der kleine Engel ließ ihn nie im Stich. Er hatte Kev vor all diesen Jahren aus seiner Verwirrung, seiner sprachlosen Dunkelheit geholfen. Zurück in eine relative Normalität, in der er funktionieren konnte. Seine akustische Wahrnehmung kehrte zurück. Er bekam wieder Luft.
    Stimmen. Ton, der leiser und lauter wurde. Er strengte die Ohren an, um etwas zu verstehen.
    »… keine Anzeichen für frühere physische Hirntraumata, die eine Erklärung für die Amnesie liefern könnten«, sagte eine männliche Stimme. »Wie lautete damals seine Diagnose? Wo wurde er behandelt? Ich würde gern mit seinem Arzt sprechen.«
    Es entstand eine lange Pause. »Er war nicht in Behandlung«, antwortete eine gedämpfte Stimme.
    Eine Stimme, die er kannte. Kev versuchte von Neuem, die Augen zu öffnen. Vergeblich. Er schien gelähmt zu sein.
    Bruno
. Das war der Name des Mannes. Bruno. Brunos Gesicht, Brunos Geschichte glitten an ihren Platz in seinem Gedächtnis. Es war eine ungeheure Erleichterung. Bruno Ranieri. Sein Ziehbruder. Tonys Großneffe. Tony Ranieri. Das Imbisslokal. Rosa. Okay. Er hatte es. Er wusste jetzt, wer er war. Halbwegs.
    Kev. Kev Larsen, so nannte er sich, wann immer jemand sich die Mühe machte, ihn danach zu fragen. Er klammerte sich an diesen Namen, so es denn sein richtiger war, wie an einen Rettungsanker.
    »Aber er … er muss offensichtlich einen schrecklichen …« Der fast hysterisch klingende erste Mann verstummte für einen kurzen Moment. »Was um alles in der Welt ist ihm zugestoßen?«
    Eine weitere zögerliche Pause. »Wir wissen es nicht.«
    »Wie bitte?«, fragte der andere ungläubig.
    »Wir wissen es einfach nicht«, wiederholte Bruno abwehrend. »Mein Onkel hat ihn damals so gefunden. Er war gefoltert worden, keine Ahnung, von wem oder warum. Er weiß es selbst nicht. Wie schon gesagt: Er konnte nicht sprechen. Noch Jahre später nicht.«
    »Und er weiß noch nicht einmal, was –«
    »Nein«, fiel Bruno ihm unwirsch ins Wort. »Er hat null Erinnerung.«
    »Also ist sein Name … seine ganze
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