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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest
Autoren: Carla Buckley
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befreite das sterile Wattestäbchen vom Papier.
    «Und wenn sie vergiftet sind, können wir sie nicht essen», sagte der Vater. «Stimmt’s?»
    «Dad, ich hab dir doch gesagt   –»
    «Ja, ich weiß schon, der Klimawandel.» Der Vater legte den Arm auf die Bordwand und wandte sich wieder an Peter. «Ha ben Sie hier draußen sonst noch was gefunden?»
    «Nein.» Peter steckte das Wattestäbchen wieder ins Röhrchen und schraubte den Deckel zu. Soweit er wusste, hatte es keine anderen Funde gegeben. Aber es war noch früh, die Saison fing gerade erst an.
    «Gift.» Der Vater drehte sich um und spuckte ins Wasser. «Wir hätten sie lassen sollen, wo wir sie gefunden haben.»
    «Hätten Sie was dagegen, mir zu zeigen, wo das war?»
    Vater und Sohn wechselten einen Blick.
    Entenjäger waren eine Spezies für sich. Sie setzten sich bereitwillig eiskalten Temperaturen, Graupel, Schnee und scharfem Wind aus und machten ein großes Geheimnis um ihre besten Jagdgründe. Die beiden Männer fürchteten, er könnte ihnen das Revier streitig machen. Dazu bestand nicht der leiseste Anlass. Er war kein Jäger. Nicht mehr.
    «Ich brauche ein paar Wasserproben.» Peter versuchte möglichst so zu klingen wie ein Professor, nicht wie ein Jäger.
    Der Sohn blickte stirnrunzelnd zum Horizont. Die aufgehende Sonne vertrieb den Nebel und tauchte das Moor in gelbes Licht. Der Vater im Boot gab sich geschäftig.
    «Wenn wir die Ursache nicht finden, könnte es die ganze Saison so weitergehen.» Peter deutete auf die Kadaver auf dem Steg.
    Ein rascher Blick vom Vater.
    «Haben Sie die Salbe ausprobiert, die ich Ihnen empfohlen hatte?», fragte Peter. «Für Gus?» Er hoffte, dass er den Namen des Labradors richtig behalten hatte.
    Der Sohn sagte: «Ja, sein Ausschlag klingt ab.»
    Peter nickte. «In einer Woche sollte er wieder ins Wasser können.»
    Vater und Sohn sahen sich an. Der Vater rieb sich das Kinn und zuckte die Achseln. «Kommen Sie. Taugt sowieso nicht viel, der Fleck.»
     
    Sie tuckerten durch das Schilf am Ufer. Peter saß in der Mitte, der Vater im Heck am Steuer. Der Sohn kniete am Bug. Sobald sie draußen auf dem offenen Wasser waren, beschleunigte der Alte, und das Boot sprang über die glatte silberne Fläche.
    Kalter Wind fuhr Peter durch die Haare. Gischt peitschte ihm ins Gesicht. Zu beiden Seiten säumten Platanen und Ahorn das Ufer, die sich in einem doppelten goldroten Rand im Wasser spiegelten. Unten glitzerte die Sonne, oben heller Himmel und Wolkenschleier. Mit traurigem Geschrei flatterten Gänse aus ihrem Versteck auf. Schön war es hier draußen. Unkompliziert.
    Der Sohn rief dem Vater etwas zu und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Ferne. Peter verstand die Antwort des Vaters nicht.
    Er sah sich um und entdeckte einen dunklen Schatten. Ein zweites Boot in diesen Jagdgründen. Der Vater fuhr einen weiten Bogen, ohne das vorbeifahrende Boot aus den Augen zu lassen, dann lenkte er geradewegs nach Norden.
    Nach einer Weile schaltete er herunter, das Boot drehte und schnitt durch die Wellen, die es selbst verursacht hatte. Ein weiterer Bogen, dann erreichten sie einen Unterstand. Aus Holzpfählen mit einem Dach aus Zweigen und Ästen war mitten im See mit großer Sorgfalt ein seltsames Baumhaus errichtet worden. Die Männer hatten die Zweige dicht verwoben und über dem Wasserspiegel gerade so viel Platz gelassen, dass ihr Boot hineingleiten konnte.
    Langsam umkreisten sie den Unterstand.
    «Sehen Sie?», sagte der Sohn. «Nichts.»
    Peter entstöpselte ein Proberöhrchen und beugte sich seitwärts über den Bootsrand, um es ins eisige Wasser zu tauchen.
    «Wie sieht’s aus?», fragte der Vater.
    «Das werde ich erst im Labor wissen.» Doch das teebraune Wasser wirkte ziemlich sauber. Weder Schlacke noch Algen deuteten auf Bakterienbefall, weder Schaum noch ölige Blasen auf chemische Verunreinigung. Peter verstöpselte das Röhrchen wieder fest und sah sich um. Es war ein friedlicher, wunderschöner Morgen. Trotzdem wuchs seine Beklommenheit. «Wo haben sie die Enten gefunden?»
    Der Sohn drehte sich um. «Da drüben.» Er zeigte auf eine Landspitze.
    «Wir haben zwei Stunden gewartet», sagte der Vater. «Dann sind die vier aufgeflogen.»
    «Sehen wir uns das mal an», sagte Peter.
    «Ist doch alles derselbe See», sagte der Vater.
    «Trotzdem könnten wir dort noch etwas finden.»
    «Einen Kadaver zum Beispiel?»
    Peter schüttelte den Kopf. «Blauflügelenten sind keine Aasfresser. Aber es könnte sich um
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