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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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ebenfalls, die immer durchdringender wurde, bis sie von den Wänden wider-hallte: »… von allen selbstgefälligen Eseln, die ich je gekannt habe, bist du…« Einige Höflinge, die vorbeischlenderten, waren schon stehengeblieben.
    Raymond entschied sich, Alienor auf den Rücken zu nehmen, und rannte dann los, bis er eine Fensternische fand, die abgelegen genug war, damit sie nichts mehr hörten und man sie nicht sehen konnte. Er setzte das Mädchen ab und starrte über sie hinweg aus dem Fenster.
    »Es ist scheußlich«, sagte er leise und mehr zu sich selbst als zu seiner Nichte. »Seit Jahren ist das nicht mehr passiert, seit… und diesmal ist Guillaume im Unrecht, weil er die Lusignans verteidigt, und die sind Verräter, und…« Plötzlich bemerkte der Junge wieder, mit wem er sprach.
    Alienor hörte zu, ohne wirklich zu begreifen. Bis jetzt war alles so wundervoll gewesen, und sie wollte nicht glauben, daß sich das geändert haben sollte. »Vielleicht tut er nur so, als ob er sich ärgert?«
    meinte sie hoffnungsvoll, eingedenk der Tatsache, wie ihr Großvater sich an ihrem Ankunftstag verhalten hatte. Raymond schüttelte den Kopf.
    »Nein, er meint es ernst.« Jedenfalls, dachte er mit einem Zynismus, für den er eigentlich noch viel zu jung war, hatten sie diesmal daran gedacht, ihn vorher hinauszuschicken. »Ach, verdammt!« sagte er plötzlich laut und schlug mit der Faust gegen die Mauer.
    Alienor hatte gute Lust, das gleiche zu tun, oder zumindest so zu schreien wie ihr Großvater. Denn eines verstand sie, und das überdeutlich: Die Freude und der Glanz des Osterfestes waren zu einem schwarzen Nichts zerfallen.

    Toulouse, die letzte große unabhängige Stadt im Herrschaftsgebiet des Herzogs von Aquitanien, war seinerzeit durch seine Heirat mit Felipa an ihn gefallen, und der dortige Adel, der sich nie damit abgefunden hatte, erhob sich nun gegen ihn. Diese bestürzende Nachricht hatte zum Streit zwischen Guillaume und seinem Sohn geführt.
    Der Herzog verdächtigte die Lusignans, eine ehrgeizige Familie, die einerseits gute Verbindungen nach Toulouse hatte und andererseits entfernt mit ihm verwandt war, so daß sie sich Hoffnungen auf das Herzogtum machen konnten, sich an der Verschwörung beteiligt zu haben. Dem widersprach Guillaume, der mit mehreren Mitgliedern der Familie befreundet war, energisch, und so stritten sie lange und erbittert. Guillaume warf seinem Vater vor, er sei gegen die Lusignans voreingenommen, da sie seit Jahren mit Dangerosa in Fehde lagen - ihre Besitzungen grenzten aneinander -, und von diesem Zeitpunkt an nahm der Streit einen katastrophalen Verlauf. Am Ende reiste Guillaume, aufs neue erbittert, zurück nach Bordeaux.
    Der Herzog unternahm einen blitzartigen Feldzug gegen Toulouse, der ebenso erfolgreich wie grausam war und die vorher eher neutrale Bürgerschaft in ihrem Haß gegen ihn mit dem Adel vereinte.
    Er kehrte gealtert und verbittert zurück. Wie sich gezeigt hatte, waren die Lusignans tatsächlich in den Aufstand verwickelt gewesen, was in ihm jedoch nicht mehr denselben Zorn auslöste, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen war. Er stellte nur resigniert fest, daß Guillaume wieder einmal Freundschaft mit Treue verwechselt hatte. Wenig später erreichte ihn die lang erwartete Botschaft: Aenor hatte einen Sohn geboren, der Aigret genannt werden sollte.
    Die Taufe eines männlichen Erben mußte selbstverständlich mit allem Prunk und Zeremoniell in Poitiers begangen werden, und der Herzog sorgte dafür, daß es ein denkwürdiges Ereignis wurde. Von den Höfen aller Nachbarländer trafen Glückwünsche ein, sogar der König von Frankreich schickte ein Schreiben. »Kein Wunder«, sagte der Herzog bester Laune zu seiner Geliebten, »sein Philippe ist jetzt weiter von Aquitanien entfernt denn je. Ist es nicht großartig, daß unser gemeinsamer Enkel über Aquitanien herrschen wird, obwohl wir nie verheiratet waren und keine Kinder haben?«
    »Das ist allein deine Schuld«, murmelte Dangerosa mit halbgeschlossenen Lidern. Er lachte. »Mein Herz, ich weiß, es ist der Traum deines Lebens, Herzogin von Aquitanien zu werden, aber daraus wird nichts. Deine Domänen habe ich schon durch Guillaumes Ehe, und ich heirate immer nur Frauen, die mir mehr Nutzen als Ärger bringen - und vor allem Land. Die anderen behalte ich für die Liebe.« Sie warf einen Kamm nach ihm.
    Guillaume war noch immer voller unversöhnlicher Ablehnung gegenüber seinem Vater. Aber in der
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