Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist
Autoren: ANNE O'BRIEN
Vom Netzwerk:
außer Kontrolle geratenen Packwagen überrollt würdet. Das würde mir aber Eurer Herr Bruder womöglich verübeln. Und ich will tunlichst vermeiden, dass er mir in nächster Zeit mit einem ganzen Heer einen Besuch abstattet.“
    Bei dem Gewimmel und Getümmel aus Mensch und Tier hatte sich einer der schwer zu lenkenden Karren unbemerkt selbstständig gemacht und war gefährlich nahe an Rosamund herangerollt. Die Ladung aus Bündeln und Fässern war dabei verrutscht, der Wagen in Schlagseite geraten. Als Rosamund sich umwandte, berührten ihre Röcke die Wagenräder, so dicht hinter der Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte, war er zum Halten gekommen. Hätte der Ritter sie nicht an sich gerissen – sie hätte glatt von dem schweren Karren überfahren werden können.
    Der Fremde wartete ab, bis der Fuhrmann das Gespann wieder in der Gewalt hatte und die Gefahr gebannt war. Erst dann setzte er Rosamund abrupt auf dem Boden ab und verfolgte mit spöttischem Schmunzeln, wie sie ihre Kleidung in Ordnung brachte. „So, Lady. Jetzt könnte Ihr von mir aus weiterlamentieren, wenn Euch danach ist. Allerdings warne ich Euch: Es wird Euch nicht helfen.“
    Auch wenn das stimmen mochte: So einfach wollte und konnte Rosamund diese Wendung nicht hinnehmen. „Aber das hier, das ist mein Erbe! Meine Mitgift!“ Nur mit großer Mühe behielt sie einen klaren Kopf. „Clifford gehört zum Besitz des Earl of Salisbury und jetzt eben mir!“
    „Ja, aber durch Rechtsbruch, Verehrteste.“ Der Ritter, der sich ihr schlicht als Fitz Osbern vorgestellt hatte, wandte sich an seinen Knappen und wies ihn an, das Entladen der in Hereford hoch mit Proviant befrachteten Packwagen zu überwachen. „Meinen Vorfahren wurde Clifford als Lehen übertragen, und zwar von Wilhelm dem Eroberer persönlich. Zum Dank für treue Dienste. Der verstorbene Earl hat es meinem Vater gestohlen. Nach den Buchstaben des Gesetzes steht es dem Hause Fitz Osbern zu. So gesehen kehrt es nur zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurück.“ Er rief einem seiner Männer einen Befehl zu. „Jetzt brauche ich mir nur noch Ewyas Harold und Wigmore zurückzuholen. Ich habe zu beiden je einen kleinen Trupp geschickt.“
    „Wie bitte? Die beiden Kastelle gehören doch ebenfalls mir!“ Zum wiederholten Mal bekam Rosamund es mit der Angst zu tun, sodass sie erneut mühsam um Fassung ringen musste.
    „Dann wird es ja ein Kinderspiel für mich, oder? Wie Ihr nicht leugnen könnt, bin ich Herr der Lage. Es ist also entschieden. Jetzt steht mir nicht weiter im Wege herum! Verzieht Euch in Eure Gemächer, bis ich Muße finde, mich mit Euch zu befassen …“ Mit einem metallischen Klirren steckte er sein Schwert wieder in die Scheide zurück und überprüfte dann mit geübtem Blick, in welcher Verfassung seine Soldaten waren.
    Rosamund starrte ihn an wie vom Donner gerührt. Allmählich aber verwandelte sich ihre Beklemmung in rasende Wut. Dieser ungehobelte Fremde schickte sie einfach fort, als zähle sie überhaupt nicht! Steht mir nicht weiter im Wege herum! Aber der Mann schien zu allem entschlossen zu sein! Aufgebracht musterte sie ihn, wie er in ihrem Burghof stand, als sei er bereits der Herr im Hause. Stocksteif, das Kreuz kerzengerade und das Kinn gereckt, begutachtete er die Umgebung. Was Rosamund da sah, gefiel ihr ganz und gar nicht. Ein blutrünstiger Lump!, dachte sie erbost. Eins hatte sie inzwischen auf jeden Fall schon über ihn in Erfahrung gebracht: Widerrede oder Ungehorsam duldete er nicht. Seine Augen waren von einem kalten Grau, dunkel und ungestüm, winterlich wie die Farbe des Flusses jenseits des Tores. Rabenschwarz und verfilzt das dichte Haar, vom kalten Winde zerzaust, durchgeschwitzt unter der phrygischen Mütze, die er abgenommen und sich hinter den Gürtel geklemmt hatte. Der Schatten eines etliche Tage alten Stoppelbartes verdunkelte seine Wangen. Tunika, Beinkleider sowie die knöchelhohen Stiefel waren schlammbespritzt, genauso wie sein Mantel. Bah, so was von ungepflegt!, durchfuhr es sie, als sie ihn angewidert und etwas pikiert betrachtete. Dass dies vermutlich am Zustand der morastigen Straßen lag, ließ sie mit Absicht nicht gelten. Aber was hatte sie denn erwartet? Kultivierte Eleganz etwa? Vollendete höfische Manieren? Von diesem Raubein doch nicht!
    Dann fiel ihr auf, dass der Mann bei seinen Bewegungen leicht hinkte und das rechte Bein nachzog. Vermutlich die Folge einer Spelunkenrauferei, im Suff beim Würfelspiel zugezogen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher