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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist
Autoren: ANNE O'BRIEN
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heraufbeschworen in ihrer Erinnerung, sie ließen sengend heiß die Röte in ihre Wangen steigen und waren alles andere als ein Traum. Wann mochte er wohl gegangen sein?
    Die Finger an die noch von seinen Küssen brennenden Lippen gepresst, konnte sie nur an eines denken: Er hatte gesagt, er liebe sie. Ja, er hatte ihr seine Liebe erklärt, und zwar in der Hitze der Leidenschaft, als ihm die Tragweite seiner Worte womöglich gleichgültig gewesen war. Als sie sich so hingebungsvoll und leidenschaftlich geliebt hatten, dass sie nahezu berauscht gewesen waren voneinander, hatte er jene Worte geflüstert: Ich liebe dich!
    Hatte sie ihm da wohl ihr Innerstes offenbart und ihm ebenfalls ihre Liebe gestanden? Vermutlich ja, so fürchtete sie. Was mochte sie ihm nicht noch alles gesagt haben, so hingeschmolzen in seinen Armen, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte? Dass sie nur noch dazu in der Lage gewesen war, seine Zärtlichkeiten zu genießen und sich ihm ganz hinzugeben? Eng an ihn gekuschelt, war sie schließlich in seinen Armen eingeschlummert. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass sie einmal ihre gesamte Zukunft vertrauensvoll in die Hände eines Mannes legen würde. Aber genau das hatte sie getan. Und im Verlaufe der Nacht war sie erwacht – oder aufgeweckt worden –, um jene Zauberwelt aus Seligkeit und Lust aufs Neue zu erleben.
    Ich liebe dich, hatte er gesagt. Und sie hatte ihm geantwortet.
    Was aber sollte nun werden? Ja, wenn sie das nur wüsste! Er hatte zwar versprochen, da zu sein, wenn sie erwachte, doch dieses Versprechen hatte er nicht gehalten. Beim letzten Mal hatte er sie geküsst und dann verlassen, weil er sie offenbar nicht lieb genug gehabt hatte, um zu bleiben. Als er dann fortgeritten war, da hatte sie sich verkrochen, zu feige, um ihm gegenüberzutreten. Die Hände vors Gesicht geschlagen, begriff sie, dass sie sich diesmal nicht verkriechen durfte. Wenn es für sie beide eine gemeinsame Zukunft geben sollte, dann musste sie sich ihrer Begegnung nach dieser Liebesnacht stellen.
    Wieso war er nicht bei ihr geblieben, um sie bei Tagesanbruch zu wecken? Warum war er jetzt nicht bei ihr, um ihr die Ängste zu nehmen?
    Ach, all das Grübeln führte ja doch zu nichts! Rosamund schälte sich aus den verhedderten Laken, hüllte sich in ihren Nachtmantel und verzog schmerzhaft das Gesicht, denn alle Glieder taten ihr weh. Als sie ihre langen Haare kämmte, musste sie doch lächeln: Wie hatte er sich ergötzt an ihrem Haar! Es durch die Finger gleiten lassen und um die eigenen Handgelenke gewunden, als hätte er sich selbst mit ihren Strähnen Fesseln anlegen wollen!
    Sie seufzte schwermütig und wandte den Kopf, denn von der Tür her drang ein Geräusch zu ihr herüber. Ein Tablett in den Händen, betrat die Zofe die Kammer, ungewöhnlich still und ohne sich das Geringste anmerken zu lassen, das Gesicht so ausdruckslos wie frische Molke. Dabei wusste bestimmt die ganze Burg, dass Gervase die Nacht in der Kemenate verbracht hatte.
    Edith stellte das Tablett ab und stemmte die Hände in die Hüften.
    „Was ist?“, fragte Rosamund.
    „Mylord lässt Euch bestellen, Ihr sollt erst etwas essen und Euch danach mit ihm auf dem Wehrgang treffen. Ihr möchtet Euch warm anziehen, riet er; es weht ein kalter Nordwind.“
    Schmollend schürzte Rosamund die Lippen. Aha, er erteilte also schon wieder Befehle, und das sogar in Abwesenheit!
    Als die Zofe wieder hinausging, bekam Rosamund gerade noch mit, dass die Bedienstete sich ein anzügliches Schmunzeln nur schwer verkneifen konnte.
    Gervase wartete auf seine Liebste. Sie mussten noch einiges miteinander bereden, bevor ihr gemeinsames Leben beginnen konnte. Der kleine Geniestreich, mit dem sie ihn in ihr Gemach gelockt hatte, der hatte ihn, wenn er es richtig deutete, in einen Glückspilz verwandelt. Verdammt noch eins, er war verliebt, und zwar bis über beide Ohren. Und da kam sie auch schon, beschwingten Schrittes und hoch erhobenen Hauptes, die Röcke gerafft, sodass sie die Stufen hinauflaufen konnte. Als bohre sich ein Pfeil in seinen Leib, spürte er, wie sich schon wieder die Wollust in ihm regte. Nur war diesmal auch sein Herz in Liebe gefangen.
    „Du warst fort, als ich aufwachte.“
    Rosamund war bemüht, es nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen. Ihr Wilder Falke erwartete sie im hintersten Winkel des Wehrgangs, genau an der verabredeten Stelle. Hinter ihm ragten die Umrisse des walisischen Berglands aus dem Dunst. Er musste
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