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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
Autoren: Anne B. Ragde
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diese Angst konnte sie nicht ertragen. Ihr war klar, dass das albern und banal war. Aber die Welt wimmelte nur so von lächerlichen, sitzen gelassenen Menschen, mit denen alle Mitleid hatten.
    Solche Menschen trugen ein Kainszeichen auf der Stirn, während andere sich das Maul darüber zerrissen, was mit ihm oder ihr wohl nicht stimmte, und sich gegenseitig an Feste und gesellige Ereignisse erinnerten, an denen die sitzen gelassene Person in spe sich unmöglich benommen oder blöde Dinge gesagt hatte, hoffnungslos stur gewesen war, Seiten gezeigt hatte, mit denen auf Dauer natürlich niemand leben konnte. Die Welt hatte in den Augen derer, die sich so herablassend äußerten, zu stimmen, damit sie selbst nachts nicht wachliegen und sich darum sorgen mussten, was in ihrer eigenen Beziehung alles schiefgehen konnte. Niemals wurden Liebesschwüre dem Gegenüber häufiger abverlangt als nach einer Trennung im engsten Freundeskreis. Wenn er sie verließ, musste etwas mit ihr nicht in Ordnung sein. Und umgekehrt. Aber der Verlassenen gegenüber bestand man darauf, dass es unbegreiflich sei, dass sie sitzen gelassen worden war, sicher hatte er eine Neue, auch wenn er das nicht zugeben wollte, eine andere Erklärung war unmöglich, er konnte doch nicht sehenden Auges eine Frau wie sie über Bord werfen.
    Es gab so unendlich viele sitzen gelassene Frauen. Frauen, die es sogar immer wieder erlebten. Ingunn glaubte, dass Männer es besser ertragen konnten. Sie lernten früh, abgewiesen zu werden, sie hatten ihr Leben lang Abweisung erlebt, von der Mutterbrust, in der Pubertät mit all den unerreichbaren Mädchenunterhosen. Sie lernten, das nicht persönlich zu nehmen, sie lernten, damit zu leben. Sie wurden damit fertig.

3
    »L ieber allein als zusammen mit mir?«
    »Ja.«
    Wenigstens konnte er wütend sein. Wenn er später am Boden zerstört wäre und sich vor Sehnsucht krankschreiben lassen müsste, dann würde es unendlich wichtig für ihn sein, dass sie nichts davon erfuhr. Diese Befriedigung sollte sie keinesfalls haben. Männer entwickelten Trotz, einen Selbsterhaltungstrieb, der seinen Ursprung im maskulinen Wesen haben musste, dachte sie.
    Die Beziehung, die Ingunn im Nachhinein am beunruhigendsten erschien, war jene mit dem Typen aus Bergen. Da wäre es fast so weit gewesen, dass nicht sie ihn, sondern er sie verlassen hätte.
    Es war ein Dienstag, Ende November. Er hatte das Wochenende bei ihr in Trondheim verbracht und ziemlich zerstreut gewirkt – schon bei seiner Ankunft, aber auch, als er wieder wegfuhr. Sie hatten das ganze Wochenende über so gut wie keinen Sex gehabt, nur einen blitzschnellen Fick hatte es gegeben, am Sonntagmorgen. Er hatte sie von hinten genommen, sie war nicht einmal feucht geworden. In den wenigen Minuten sprachen sie kein Wort miteinander, sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht zu stöhnen.
    Als übergriffig war ihr dieser Akt nicht vorgekommen, er befriedigte nur ein Bedürfnis, wie ein Glas Wasser zu trinken, und zufällig lag sie da und hatte ihm den Hintern zugekehrt.
    Sie nahm es nicht persönlich.
    Als er fertig war und aus ihr herausglitt, griff sie sich eine Handvoll Kleenex vom Nachttisch, stopfte sie sich in den Schritt und ging ins Badezimmer, wobei sie ihm noch immer den Rücken kehrte. Sie dachte an nichts Besonderes, war eben erst aufgewacht und steckte mit ihren Gedanken noch halb in einem seltsamen Traum, der von Eiern handelte, bei denen die Schale nur in winzig kleinen Stücken abging.
    Sie duschte, zog sich an und rief ins Schlafzimmer, ob er ein Ei zum Frühstück wollte, weil doch Sonntag sei. Das waren die ersten Worte, die sie an diesem Tag wechselten.
    »Ja, auf beiden Seiten gebraten und mit zerstochenem Dotter«, antwortete er.
    Später dachte sie bei sich, ihr Traum sei vielleicht ein Omen gewesen. Wenn sie abergläubisch gewesen wäre, hätte sie ihn zweifelsohne als Omen bewertet, immerhin hatte sein kurzer Höhepunkt sie geschwängert.
    Nachdem sie ihn zum Flughafen gefahren hatte und auf dem Heimweg auf der Autobahn unterwegs war, dachte sie darüber nach, wie nah dran sie gewesen war, von einem Mann verlassen zu werden. Sie musste dringend Schluss machen, bevor es zu spät war. Nicht eine Sekunde hätte es sie gewundert, wenn er ihr nach ihrer mechanischen Umarmung in der Abflughalle für immer Adieu gesagt hätte. Dann wäre sie an einem Sonntag im November allein dagestanden, alleine und sitzen gelassen. Nur einen Monat vor Weihnachten, wie hätte
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