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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten!
Autoren: Robert Tibber
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sein, wer mein Exzentriker, und wer würde in Zukunft regelmäßig meine Nachtruhe stören? Ob ich sie gern hatte, liebte, bemitleidete, haßte und alle anderen Gefühlsbewegungen an ihnen ausließ, schließlich und endgültig waren sie ja mein Daseinszweck. Ihr Dahinscheiden traf im Grunde genommen auch mich.
    Es war an einem Montag, eine Woche nach Miss Chudleys Tod, als uns ihr Rechtsanwalt, ein Isaiah Bailey, mitteilte, daß seine Klientin, genau wie versprochen, mir etwas in ihrem Testament vermacht hatte. Mr. Bailey war jedoch nicht in der Lage, mir die genaue Größe des Erbes anzugeben, damit müßten wir bis zum folgenden Donnerstag warten, wo er um unseren Besuch bat.
    Zuerst ließ mich die Sache ungerührt, und ich erwähnte es, mit meinen Gedanken bei wichtigeren Dingen, nur gelegentlich Sylvia gegenüber.
    Sylvia jedoch reagierte anders. »Schatz«, rief sie aufgeregt, »verstehst du denn nicht, jetzt werden wir ein Angebot auf das Gutshaus machen können!«
    »Woher weißt du, wieviel es ist?«
    »Nun, du sagtest doch, daß Miss Chudley ungeheuer reich ist.«
    »Sicher. Aber wenn es mehr als ein kleines Geschenk ist, kann ich es sowieso nicht annehmen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe doch nichts für sie getan.«
    »Aber das steht doch gar nicht zur Debatte. Das ist doch nicht die Bezahlung einer Dienstleistung; sie gibt es dir, weil sie eine Menge von dir gehalten hat. Du warst schließlich ihr Heiliger.«
    »Weißt du, Liebling«, bat ich, »laß uns nicht mehr darüber sprechen. Ich schlage vor, wir warten damit bis Donnerstag, wenn wir bei Mr. Bailey sind.«
    Aber zwischen Montag und Donnerstag änderte sich meine bessere Einsicht durch einen zweiten Besuch auf dem Gutshof.
    Das Haus, das wir schon als »unser Haus« bezeichneten, war frisch rosa verputzt worden, die Hecken begannen zu grünen, und der Obstgarten stand in voller Blüte. Tief im Schlamm war uns das Besitztum schon wünschenswert erschienen, nun sah es aus wie ein Traumhaus, und selbst ich konnte mich der spekulativen Gedanken über Miss Chudleys Großzügigkeit nicht erwehren.
    Als endlich der Donnerstag da war, hatten Sylvia und ich in unseren leichtfertigen Gedanken bereits gute fünfzigtausend Pfund ausgegeben. Wir hatten nicht allein das Gut gekauft, wir hatten auch das Haus vollkommen neu eingerichtet, Aubusson-Teppiche auf die Fußböden gelegt und in die Auffahrt für Sylvia einen Mercedes 300 SL und für mich einen würdevollen Rolls-Bentley gestellt. Natürlich befand sich im Pferch ein Pony für Peter und ein ebenso gutartiges für Penny; der Reitknecht und der Stallbursche zogen jedesmal, wenn sie mich sahen, ihre Mützen.
    Am Donnerstag, als wir die staubigen Stufen zum Büro des Rechtsanwalts hinaufstiegen, beantwortete ich Sylvias Frage.
    »Nein«, erklärte ich, »natürlich wird man uns das Geld nicht gleich mitgeben.«
    Mr. Bailey gehörte offensichtlich zu dem gleichen Jahrgang, dem auch Sir Arthur Colenutt und Miss Chudley angehörten. Das Zimmer, in dem wir mit ahnungsvollem Herzklopfen saßen, war dämmerig, mit Jagdzeichnungen dekoriert und strahlte eine unbeschreiblich niederdrückende Stimmung aus. Der Schreiber, der uns in das Audienzzimmer führte, wirkte noch grauer und trübsinniger. Mr. Bailey selbst sah wie ein uralter Vogel aus, dem die Brille dauernd von dem Schnabel rutschte.
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten, Doktor«, sagte er mit leiser Stimme, die aus einem kleinen, spitzen Mund kam. »Sie werden sicher sehr beschäftigt sein.«
    »Nie zu beschäftigt, um gute Nachrichten zu empfangen«, antwortete ich herzlich.
    Er sah mich scharf durch die Brille an und blickte dann wieder über ihren Rand. »Gut«, sagte er und fummelte mit zitternden Fingern zwischen den Papieren auf seinem Tisch herum, bis er gefunden hatte, was er suchte. »Vor mir liegt der Letzte Wille und das Testament meiner guten Freundin, der verstorbenen Miss Amelia Agnes Lettic Chudley.«
    Ich beugte mein Haupt.
    Mr. Bailey schob die Brille auf der Nase zurecht. »Die besagte Miss Amelia Agnes Lettice Chudley...« Seine Stimme wurde immer leiser, während er die ersten beiden Seiten in einem wichtigtuerischen Gemurmel vor sich hinlas, von dem wir nichts verstehen konnten. Plötzlich hielt er an und stieß seinen dicken Finger auf das Dokument. »Ah!«
    Sylvia und ich beugten uns gespannt vor.
    Mr. Bailey blickte uns einen Augenblick an und sah dann wieder auf das Dokument.
    »»Meinem Arzt<«, zitierte er, »»einem wahren
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