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Die liebe Verwandtschaft

Die liebe Verwandtschaft

Titel: Die liebe Verwandtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Stacheldrahtumzäunung, die das Krankenhaus umgab.
    Das eiserne Tor war geschlossen. Erst nach längerem höflichen Klopfen erschien ein stämmiger Portier und sagte: »Besuchszeiten Montag- und Donnerstagnachmittag von 14.45 Uhr bis 15.50 Uhr.«
    »Danke sehr«, sagte ich. »Aber jetzt bin ich schon hier.«
    »Lieber Herr«, sagte der Türhüter, »es liegt im Interesse der Patienten. Besuche regen sie auf und verzögern den Heilungsprozess. Stellen Sie sich doch vor, was geschehen würde, wenn wir pausenlos Besuche einließen.«
    »Sie haben vollkommen recht«, sagte ich, »das wäre schrecklich. Und jetzt lassen Sie mich bitte hinein.«
    »Nein«, sagte er. »Ich habe strenge Anweisung. Sie betreten das Gebäude nur über meine Leiche.«
    »Das möchte ich nicht. Ich möchte zu meiner Tante Ilka.«
    »Nichts zu machen. Aber um 14 Uhr werde ich abgelöst. Vielleicht haben Sie bei meinem Nachfolger mehr Glück.«
    Der Mann war nicht nur ein Fanatiker, er war auch noch stolz darauf. Ich wandte mich ab, Hass im Herzen und zornige Flüche auf den Lippen.
    »Mögen alle hier vertretenen Krankheiten dich gleichzeitig heimsuchen, du tobsüchtiger Maniake!«, fluchte ich. »Und wenn du zerspringst: Ich komme zu Tante Ilka hinein.«
    Etwas später klopfte ich wieder an das Eingangstor und sagte dem neuen Portier: »Ich bin von der Redaktion der › Jerusalem Post ‹ und soll einen Artikel über Ihr Krankenhaus schreiben.«
    »Einen Augenblick«, sagte der Torhüter II. »Ich rufe Dr. Gebennehmer.«
    Dr. Gebennehmer, ein ausnehmend höflicher Mann, bot sich sofort an, mir das Institut zu zeigen.
    »Vielen Dank, Herr Doktor«, sagte ich. »Aber ich finde mich lieber selbst zurecht. Das ist die neue Reportertechnik, wissen Sie, unmittelbare Eindrücke sammeln. Machen Sie sich bitte keine Mühe.«
    »Es macht mir gar keine Mühe. Es ist mir ein Vergnügen.« Dr. Gebennehmer schob freundlich seinen Arm unter den meinen.
    »Außerdem brauchen Sie gewisse fachliche Informationen. Kommen Sie.«
    Er schleppte mich durch die Abteilungen 11, 12 und 13 und sprach dabei sehr anregend über die Hauptaufgabe der Presse, dem Publikum besseres Verständnis für die Medizin im Allgemeinen und für das Gebaren der Krankenhäuser im Besonderen beizubringen. Ich nickte und machte mir von Zeit zu Zeit Notizen, etwa des Wortlauts: »Eins bis drei und vier bis sechse, Großmama war eine Hexe« oder etwas Ähnliches, meistens Gereimtes.
    Die vorbildliche Ordnung, die in sämtlichen Abteilungen herrschte, wurde nur durch die Unzahl der Besucher ein wenig gestört. Im Durchschnitt saßen zwei komplette Familien an jedem Bett.
    »Dabei ist gar keine Besuchszeit«, erklärte Dr. Gebennehmer. »Ich weiß wirklich nicht, wie alle diese Leute hereingekommen sind.«
    »Macht nichts, macht nichts«, beruhigte ich ihn.
    Plötzlich klang aus einem der Betten die Stimme einer alten Dame an mein Ohr.
    »Hallo, Feri! Hast du den Käs mitgebracht?«
    Es war eine eher peinliche Situation. Dr. Gebennehmer sah mich mit einem unangenehm fragenden Gesichtsausdruck an.
    »Schalom, Tante Ilka!«, rief ich aus. »Was für ein fantastischer Zufall!«
    »Zufall? Hat die Schwester nicht angerufen? Wo ist der Käs?«
    Ich übergab ihr rasch das Paket und versuchte Dr. Gebennehmer davon zu überzeugen, dass ich immer ein Paket mit Käsebroten bei mir trüge, aber er zuckte nur wortlos die Schultern und ging.
    Tante Ilka verzehrte den Inhalt des Pakets in bemerkenswert kurzer Zeit und bestellte für den nächsten Tag eine Ladung Pfefferminzbonbons. Auch meine Schwiegereltern sollte ich mitbringen. Und natürlich meine Frau. Als ich zaghaft einwarf, dass morgen keine Besuchszeit wäre, deutete Tante Ilka mit einer vielsagenden Geste auf das Gewimmel im Raum und schickte mich nach Hause.
    Wir gingen sofort an die Arbeit. Meine Schwiegermutter nähte auf ihrer Maschine kleine weiße Schwesternhauben, dann holte sie von ihrem Friseur drei weiße Kittel, schließlich bastelten wir mit Hilfe zweier Besenstiele eine Tragbahre. Das war alles, was wir brauchten.
    Am nächsten Tag brachte uns ein Taxi in die Nähe des Krankenhauses, wo wir unsere Verkleidung anlegten. Meine Frau wurde auf Patrouille geschickt und meldete, dass der Tobsüchtige von gestern, den ich ihr genau geschrieben hatte, jetzt wieder das Tor bewachte. Ich nahm auf der Tragbahre Platz und wurde mit einem weißen Leintuch zugedeckt. Die Schwiegereltern trugen mich, meine Frau hielt mir die Hand und befeuchtete von

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