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Die liebe Verwandtschaft

Die liebe Verwandtschaft

Titel: Die liebe Verwandtschaft
Autoren: Ephraim Kishon
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kleiner John Wayne wurde von Minute zu Minute grantiger.
    »Was ist denn los«, erkundigte sich sorgenvoll die ganze Familie, »willst du denn kein Cowboy sein?«
    »Nein«, schluchzte Rudi los, »will Neil Armstrong sein.«
    Unser Kleiner hatte, wie wir alle, vom legendären Mann auf dem Mond gehört und war tief beeindruckt gewesen.
    »Nicht weinen«, die gesamte Familie stand um den Kleinen herum. »Mal sehen, was sich da machen lässt.«
    »Ganz genau«, mischte sich nun auch die Beste ein, »wir werden bestimmt eine Lösung finden.«
    Wir beriefen den Familienrat ein und gelangten zu der Einsicht, dass Rudis Reaktion eigentlich ganz normal ist. Wer möchte heutzutage nicht Neil Armstrong sein, Himmelsstürmer, Starastronaut, Apollofahrer. Wir einigten uns auf einen Kompromiss.
    »Dieses Jahr gehst du als Cowboy«, schlugen wir Rudi vor, »und nächstes Jahr dann als Neil Armstrong.«
    »Nein«, brüllte das aufgeweckte Kind. »Jetzt! Sofort Neil!«
    Die medizinische Diagnose lautet in so einem Fall, wenn ich mich nicht täusche, auf Hyperthrophie, auch Tobsuchtsanfall genannt.
    »Gut«, wir gaben schweren Herzens nach, »du gehst als Astronaut. Wir setzten dir einen großen Topf auf und schreiben mit roter Farbe drauf: Ich bin Neil.«
    »Das ist pfui«, Rudi steigerte die Frequenz, »das ist nicht Neil!«
    »Ja, was ist denn Neil?«
    »Weiß ich nicht«, schluchzte das arme Kind, »das müsst doch ihr wissen …«
    Warum konnte die Wiederholung der ersten Mondlandung denn um Himmels willen nicht erst nach Purim gesendet werden? Kann man von einem Fernsehintendanten nicht ein Minimum an Rücksicht auf geplagte Eltern und Großeltern erwarten?
    Das Kind brüllte und wie es brüllte.
    »Neil«, brüllte es. »Neil Armstrong!«
    Jetzt versuchte ich mein Glück.
    »Ich ziehe dir schöne Moonboots an.«
    »Schuhe, pfui.«
    »Ganz weiße Schuhe.«
    »Hat jeder!«
    Eine grobe Verantwortungslosigkeit von Neil. Wie kann ein erwachsener Astronaut nur ohne jedes erkennbare Markenzeichen auftreten?
    »Ich habe eine Idee«, sagte die beste Ehefrau von allen, »Rudi zieht seinen Strampelanzug an, ja?«
    »Strampelanzug, pfui«, quietschte das Kind, »eklig!«
    »Lass mich doch ausreden. Du ziehst deinen weißen Strampelanzug an und auf den Kopf setzen wir dir einen echten Helm.«
    »Helm, pfui!«
    Um es ganz deutlich zu sagen, diese zweifelhafte Mondlandung des Herrn Armstrong wog die bitteren Tränen meines Enkelsohnes nun wirklich nicht auf. Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder zweitrangige Astronaut in unserem Purimfest breitmachen würde?
    »Neil, Opa, Neil!«
    Das Kind wälzte sich nun bereits auf dem Teppich. Nur Enkel können so weinen, vorwärts und rückwärts, ohne Luft zu holen. Nun galt es, das Kind zu retten, bevor seine zarten Lungen bleibenden Schaden erlitten.
    »Ist doch überhaupt kein Problem«, sagte Opa Ephraim, »wir beide rufen Neil jetzt einfach an und fragen ihn!«
    Rudi verstummte. In seinen wunderschönen, großen, tränenfeuchten Augen glänzte ein Hoffnungsschimmer. Ich ging zum Telefon und wählte irgend eine Nummer in der Stadt.
    »Guten Tag, ist dort die Nasa?«, rief ich in den Hörer. »Könnte ich bitte Neil Armstrong sprechen?«
    »Wen?«, fragte eine ältere Frau am anderen Ende der Leitung. »Hier wohnt Doktor Weißberger.«
    »Ja, hallo Neil«, sagte ich erfreut, »wie geht’s Ihnen denn? Rudi möchte wissen, als was Sie sich zu Purim verkleiden?«
    »Verkleiden?«, fragte die ältere Frau. »Hier wohnt Doktor Weißberger.«
    »Moment bitte, Neil, ich hole mir schnell einen Stift«, unterbricht Opa. »Was sagen Sie, was haben Sie an? Hosen mit Fransen, Stiefel, einen breitkrempigen Hut …«
    »Ich kann Sie nicht gut verstehen. Sprechen der Herr vielleicht Polnisch?«
    »Ich notiere, Neil, ich notiere. Einen Gürtel mit goldener Schnalle und eine Pistole. Alles klar, Herr Armstrong, vielen Dank. Grüßen Sie den Weltraum.«
    »Doktor Weißberger kommt gegen Mittag nach Hause.«
    »Vielen Dank. Tschüs.« Mit besorgter Miene legte ich den Hörer auf.
    »Hast du das gehört?«, wandte ich mich an meine Schwiegertochter Orith, Rudis Mama. »Wo zum Teufel kriegen wir nun für Rudolf all die Sachen her, die Neil anhat?«
    »Dummer Opa«, jubelte der dümmste aller Enkel siegestrunken, »dort liegen sie ja!«
    So wurde die Krise im letzten Moment telefonisch gemeistert. Sollte der geneigte Leser also in den nächsten Feiertagen einem sehr kleinen Cowboy begegnen, der in einem Strampelanzug
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