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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag
Autoren: Erno Szep
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es Ihnen?«
    Ihre Taille ist tadellos. Der Busen nicht mehr als das, was in einen Champagnerkelch passt.
    Als wir weitergingen, fiel mir etwas ein. Ich nahm die Zwanzig-Heller-Münze aus meiner Zündholztasche: fast hätte ich es vergessen, bitte sehr, die Telefongebühr.
    Ich musste ihr das Handtäschchen abnehmen und das Geldstück darin versenken, weil sie sich natürlich weigerte, es anzunehmen.
    »Halten Sie mich denn für so eine Bettlerin?«
    Ja, für so eine kleine Bettlerin. Und mich selbst für einen großen Bettler.
    Aber nun, liebe Iboly, werden Sie mir der Reihe nach ein paar Fragen beantworten. Sagen Sie mir die reine Wahrheit, so als ständen Sie vor dem Tribunal der Theaterwelt. Wie alt sind Sie?
    »Neunzehn. Werde ich demnächst. Jetzt bald, im November.«
    Da haben Sie ein schönes Alter erreicht, ein schöneres als Aga Zoro.
    Und wie viel bringen Sie auf die Waage?
    »Zweiundfünfzig. Genau. Am Sonntag habe ich mich gewogen, am Badestrand in Csillaghegy.
    Und Sie sind ein armes Mädchen, nicht wahr?
    »Natürlich.«
    Was macht der Papa?
    »Der Papa? Er ist krank.«
    Was fehlt ihm denn?
    Also, der Papa ist nicht so krank, dass ihm momentan etwas fehlt, er leidet an einer Kriegsverletzung. Seine Beine sind kaputt. Man hat ihn schon wenigstens sechsmal operiert. Die Beine sind ständig geschwollen und tun ihm weh. Meist muss er liegen. Wenn er es vielleicht alle zwei Wochen einmalschafft, aus dem Bett zu kommen, schleppt er sich auf zwei Stöcken ins Széchenyi-Bad.
    Bekommt der Papa irgendeine Rente?
    »Er kriegt etwas von einer Versicherung, bei der war er angestellt, bevor er eingezogen wurde. Die dreißig Pengő im Monat geben sie ihm aus Mitleid. Und dann hat er noch eine kleine Invalidenrente vom Staat, weil er zu hundert Prozent arbeitsunfähig ist.«
    Davon müssen sie leben?
    »Nein, ich habe auch eine Schwester, die ist schon zweiundzwanzig, sie war in einem Hutsalon und hat jetzt einen eigenen Betrieb, bei uns daheim. Meine Schwester ist sehr geschickt. Sie kommt für unseren Haushalt auf.«
    Und Ihre Mutter, lebt sie?
    »Natürlich, sie arbeitet auch bei der Schwester. Aber sprechen wir über etwas anderes, das ist ja gänzlich uninteressant.«
    Und weitere Geschwister haben Sie nicht?
    Sie schwieg eine Weile, versuchte zu lachen.
    »Das ist doch so langweilig. Ja, ich habe noch einen Bruder, der ist nicht mehr daheim.«
    Wo ist er?
    »Mein älterer Bruder hat nämlich nach der Matura eine Ausbildung zum Kürschner gemacht und ist dann nach Paris gegangen. Zwei Jahre lang hat er uns unterstützt und geschrieben, wenn er erst mehr verdienen würde, wolle er mich nachkommen lassen und in einem großen Modesalon unterbringen. Dann hat er geheiratet und sich seither nicht mehr um uns gekümmert. Ach wie schön ist doch dieses Parlament, ich habe es mir noch nie von hier unten, von der Wasserseite aus, angeschaut. Wieviel Türme hat es wohl insgesamt?«
    Wir werden sie irgendwann einmal zählen, man sollte es wirklich wissen.
    Und dazu das Wetter so wunderschön, wie fein, dass ich sie zu diesem Spaziergang mitgenommen hätte.
    Sie nahm ihre Kappe ab, trug sie in der Hand.
    Eine blaue Kappe war es, alle Mädchen trugen jetzt Kappen.
    Auch die Handschuhe streifte sie ab; recht so, mir war es lieber, ihre Hände zu sehen als diese gewöhnlichen Handschuhe.
    Während sie sich die Haare zurechtschob, bemerkte ich, dass es in der etwas derangierten blonden Frisur gleich drei Farben gab. Etwas Strohblond, dazu auch ein wenig Goldgelb und dazwischen im Dickicht die eine oder andere rötliche Strähne. Ein Wuschelkopf. Und doch jedes einzelne Haar glänzend und kräftig. Im Nacken unrasiert, fielen ihr die Haare wie bei nicht geschorenen Buben ins Genick.
    Es war Mitte September.
    Um diese Jahreszeit ist es noch so warm, dass man barfuß gehen könnte.
    Die Taglöhner hier am Donaukai laufen auch noch barfuß herum. Und mancher hat sogar den Oberkörper entblößt, stellt seine tauben Brustwarzen zur Schau, als wäre er lieber eine Frau geworden.
    Es ist warm, an der Promenade drüben auf der Budaer Seite ist alles grün. Im Kastanienlaub zeigen sich erst da und dort Kleckse von Herbstfärbung, nur die Akazie streut schon verschwenderisch ihre Blätter aus, doch davon gibt es so viele wie Chinesen, sollen sie ruhig fallen.
    Bei der Kettenbrücke fragte ich sie, ob sie noch nicht müde sei, wenn ja, dachte ich, gehe ich mit ihr über die Brücke, und wir setzen uns in eine Konditorei.
    Ach wo, sie wird
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