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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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mit den Gebräuchen Italiens so viele aus Hellas entlehnte Sitten vermischte, wies von selbst auf die Personen des Glaukus und der Ione hin. Der Gottesdienst der Isis, ihr vorhandener Tempel, mit den falschen, entschleierten Orakeln; der Handel Pompeji's mit Alexandria, die Verbindungen des Sarnus mit dem Nil führten auf den Egypter, Arbaces, den niederträchtigen Kalenus, und den feurigen Apäcides. Die frühen Kämpfe des Christenthums mit dem heidnischen Aberglauben ließen den Olinthus erstehen und die verbrannten Felder Campaniens, längst bekannt durch die Künste der dortigen Zauberinnen, riefen die Saga des Vesuvs ganz von selbst hervor. Den Gedanken, das blinde Mädchen auftreten zu lassen, verdanke ich einer zufälligen Unterredung mit einem Herrn, der wegen seiner vielseitigen Kenntnisse und Erfahrungen unter den zu Neapel lebenden Engländern wohl bekannt ist. Als er nämlich von der tiefen Finsternis, welche den ersten von der Geschichte uns aufbewahrten Ausbruch des Vesuvs begleitete, und von dem weiteren Hindernisse sprach, das dieselbe für die Flucht der Einwohner bildete, bemerkte er, daß die Blinden in einem solchen Falle am besten daran sein und sich am leichtesten retten würden. Diese Bemerkung nun bewirkte die Erschaffung der Nydia.
    Die Personen sind also die natürlichen Kinder des Schauplatzes und der Zeit, und auch die Ereignisse dürften meines Erachtens mit der damals existirenden Gesellschaft im Einklange stehen; denn nicht bloß, um die gewöhnlichen Gebräuche des Lebens, die Feste und das Forum, die Bäder und das Amphitheater, den allgemein bekannten, damals herrschenden Luxus zu schauen, rufen wir die Vergangenheit zurück; gleich wichtig und noch unendlich interessanter sind die Leidenschaften, die Verbrechen und die Wechselfälle, die die Schatten, die wir hiermit zum Leben rufen, bewegt haben mögen. Wir verstehen eine Weltepoche nur sehr schlecht, wenn wir das Romantische in ihr vernachlässigen; – in der Poesie des Lebens liegt eben so viel Wahrheit, als in seiner Prosa.
    Da bei Behandlung einer wenig gekannten und weit hinter uns liegenden Zeit die größte Schwierigkeit darin liegt, die eingeführten Personen vor dem Auge des Lesers »leben und weben« zu lassen, so sollte dies ohne Zweifel das erste Bestreben bei einem derartigen Werke sein; und alle Versuche zu Entfaltung erlernter Kenntnisse dürfen nur als untergeordnete Mittel zu Erreichung dieses Haupterfordernisses der Dichtung betrachtet werden. Die erste Kunst des Dichters (des Schöpfers) ist, seinen Geschöpfen Lebensathmen einzuhauchen – die zweite, ihre Worte und Handlungen der Epoche, in welcher sie sprechen und handeln sollen, anzupassen. Letztere Kunst wird vielleicht dadurch am besten in Anwendung gebracht, daß man die Kunst selbst dem Leser nicht beständig vor Augen führt, nicht jede Seite mit Citaten, nicht den Rand mit Noten füllt. Beständige Verweisungen auf gelehrte Autoritäten haben den Werken der Dichtung etwas Ermüdendes und Anmaßendes an sich. Sie erscheinen wie Lobreden, die der Verfasser seiner eigenen Genauigkeit und seinem Wissen hält; sie dienen nicht dazu, seine Gedanken in ein klares Licht zu setzen, sondern lassen nur seine Gelehrsamkeit strahlen. Der Anschauungsgeist jedoch, der antiken Bildern antike Farben zu verleihen weiß, ist wohl die wahre Gelehrsamkeit, welche ein derartiges Werk erfordert, – ohne jenen Geist ist die Pedanterie störend und ärgerlich, mit demselben aber unnöthig. Niemand, der genau weiß, was die prosaische Dichtung nunmehr geworden ist, der ihre Würde, ihren Einfluß, die Art, wie sie allmählig alle ähnlichen Zweige der Literatur absorbirt hat, ihr Vermögen, zu belehren sowohl, als zu unterhalten, völlig erkennt, kann ihre Beziehung zur Geschichte, zur Philosophie, zur Politik, – ihre gänzliche Uebereinstimmung mit der Poesie und ihre Unterwürfigkeit unter die Wahrheit so weit verkennen, um sie zu scholastischer Frivolität herabwürdigen zu wollen; sie erhebt ja die Schulwissenschaft zur schaffenden Kraft, und ist weit entfernt, die letztere unter das Joch der ersteren zu beugen.
    Was die Redeweise der eingeführten Personen anbelangt, so war ich sorgfältig bemüht, das zu vermeiden, was mir von jeher als ein unglücklicher Irrthum derer erschienen ist, die in unseren Tagen Menschen aus der klassischen Zeit vorzuführen versuchten. [Fußnote: Was das klare und scharfe Urtheil Sir Walter Scotts in seiner Vorrede zu Ivanhoe (erste
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