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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
Autoren: Ed Stuhler
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kg. Am Ende, am 3. Oktober, wog ich noch 52,5 kg. Offensichtlich hat dann das Chassis befunden, es sei genug und es müsse Energie tanken. Ich kann nicht sagen, dass ich den 3. Oktober in besonderer Weise gefeiert hätte. Es war mehr das Gefühl der Erleichterung.«
    Um Mitternacht findet vor dem Reichstag das große »Fest der Einheit« statt. Eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne wird gehisst, die Freiheitsglocke vom Schöneberger Rathaus ertönt, ein Feuerwerk wird gezündet.
      Sabine Bergmann-Pohl: »Mein Mann sagt heute noch, dass es ein Fehler gewesen sei, dass ich am Reichstag nicht mit vorne gestanden habe. Ich stand da hinten auf der Treppe, habe mich bewusst zurückgehalten, war unglaublich beeindruckt, als die Jugendlichen die Fahnen hissten, fühlte mich aber völlig ausgebrannt und war einfach nur froh, dass es vorbei war. Ich habe nie in meinem Leben so unter Druck gestanden. Dennoch, der 3. Oktober auf diesem Volksfest, bevor die Chaoten kamen 39 , es war so eine tolle Stimmung dort. Und ich denke, wir können stolz sein auf das, was wir erreicht haben. Gerade wir Ostdeutschen. Gucken Sie mal in der Geschichte nach, wo Leute so friedlich eine Revolution durchgeführt haben – da können Sie lange suchen. Ich finde es toll, und ich bin stolz, dass ich dabei war!«
      »Ich habe einen Schritt hinter Helmut Kohl vorm Reichstag gestanden«, erinnert sich Günther Krause, »als in Berlin die Flagge gehisst wurde. Ja, das war ein schönes Gefühl. Das war schon so ein Gefühl: Nun ist es vollbracht. Mir sind wirklich Steine vom Herzen gefallen. Die Verantwortung, so ein Unterfangen, so eine Transformation einer Gesellschaft ruhig und ohne wirklich schwerwiegende Probleme in den Griff zu bekommen, das ist eine Geschichte, die nicht so einfach war. Ich hatte ja am 15. August die rund 15000 oder 16000 Bauern vor mir, und da wird einem schon anders zumute. Der Westen hätte uns da nicht geholfen. Die Sache hätte da auch drehen können.«
      Bildungsminister Hans-Joachim Meyer: »Es ging auf etwas merkwürdigen Wegen in das Reichstagsgebäude: Wir wurden in Busse verladen, und irgendwann mussten wir aussteigen und sind dann, mehr im Dunkeln, durch ein etwas unwegsames Gelände in den Reichstag gekommen. Mir erschien es fast wie eine Metapher, wie ein Bild für unseren etwas schwierigen Weg, den wir ja doch bis zuletzt zum Einigungsvertrag hatten. Aber zum Schluss kamen wir ja dann doch im Reichstag an.

    Eine Gegendemonstration unter dem Motto »Halt's Maul, Deutschland« von ca. 10000 Vereinigungsgegnern, vor allem aus der alternativen Szene, wird von der Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas aufgelöst.

    Hans-Joachim Meyer, Minister für Bildung und Wissenschaft

      Ja, es war Freude, es war auch Erleichterung und es war Spannung, was denn nun wohl geschehen würde im vereinigten Deutschland. Ich werde nicht vergessen, ich kam einen Tag vorher aus New York zurück, wo ich in Vertretung de Maizières, der auf dem CDUVereinigungsparteitag in Hamburg sein wollte, die Souveränitätserklärung für Deutschland unterzeichnet habe. Und ich wurde im Dienstwagen abgeholt, und zwei Beamte der Bundesregierung, die mich kannten, baten mich, sie in die Stadt mitzunehmen. Während der Fahrt in die Stadt unterhielten sie sich lautstark und ungeniert, wie denn die verschiedenen Gebäude der DDR-Regierung nun für Bundesministerien nutzbar wären. Es war mir ein gewisser Vorgeschmack darauf, dass wir uns in den kommenden Jahren wohl auch gelegentlich kräftig unserer Haut wehren müssten. Das haben wir ja dann auch getan.«
      Nicht jeder ist vor dem Reichstag dabei. Christa Schmidt: »Die Feier im Schauspielhaus war eindrucksvoll und emotional. Danach ging es dann zum Reichstag. Und da habe ich meinen Fahrer genommen und meinen Mann und habe gesagt: »Hier ist Schluss! Es ist Schluss! Ich gehe nicht mit in den Reichstag!« Und ich hatte gut daran getan. Als ich die Bilder gesehen habe, der große Herr Kohl und Herr de Maizière, der irgendwo da so reingequetscht steht, was meinen Sie, wo ich gestanden hätte als Minister für Familie? Irgend wo da ganz hinten. Und da sind wir zurück ins Gästehaus gefahren, mein Mann und ich, und haben uns das im Fernsehen angesehen. Da konnten wir das alles gut sehen, ohne gequetscht zu werden. Ich glaube, wir haben noch Sekt getrunken, ich weiß das nicht mehr genau.«
      Auch der Kulturminister schwänzt die Feier: »Wir haben das Kulturministerium am Molkenmarkt an
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