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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Autoren: Silvana de Mari
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nie erzählt, wie Eure Mutter gestorben ist«, sagte er.
    »Sie hat versucht zu fliehen und mich mitgenommen. Sie ist enthauptet worden«, sagte Aurora mit tonloser Stimme.
    »Es war Euer Vater, der die Hinrichtung angeordnet hat?«, fragte Rankstrail. Er wollte sicher sein, dass er richtig verstanden hatte.
    Aurora nickte.
    »Ihr habt es mit angesehen? Die Hinrichtung, meine ich?«, fragte er noch flüsternd.
    Aurora nickte wieder.
    Rankstrail spürte die Mischung aus Schmerz und Scham, wie nur die Kinder gemeiner, niederträchtiger Eltern sie kennen. Seine Zweifel, denn er hatte noch welche, schwanden, lösten sich auf für immer.
    Er überlegte, dass jeder für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich ist, nicht für die seines Erzeugers.
    Er schloss Aurora in die Arme und drückte sie mit ganzer Kraft an sich, es war, als ob zwei, die Wüsten durchquert hatten, sich endlich finden würden. Wieder fühlte er das Zittern, wie wenn man einen Spatz in der Hand hält, dann beruhigte sich alles. Aurora legte den Kopf an seine Schulter und begann zu weinen.
    Das war die Stelle, wo sich die alten Striemen von den Peitschenhieben mit denen kreuzten, die der Henker jüngst hinzugefügt hatte.
    Lisentrail hatte ihm gesagt, dass, wenn eine Frau die Narben eines Mannes berührt, sie nicht länger wehtun. Das stimmte. Es ist die Gegenwart, die der Vergangenheit die Farbe gibt. Jetzt, da er unter seiner Jacke die Wärme und das Gewicht von Auroras Gesicht spürte, löste sich der Schmerz der Vergangenheit in nichts auf. In gewisser Weise war er dazu gut gewesen, das Morgen und das Heute vorzubereiten. Das Morgen wie das Heute wogen den Schmerz auf bis zum letzten Gramm.
    Der junge Hauptmann schloss die Augen. Zum ersten Mal nach langer Zeit kehrte da der Traum von einem kleinen Wesen wieder, das man im Arm halten konnte. Jemand, dem man beibrachte, wie man geht und spricht, jemand, der ihn Vater nennen würde. Diesen Traum hatte er als Kind geträumt, bevor der bösartige Wurm des Zweifels an ihm zu nagen begonnen hatte, dann hatte er ihn aufgegeben, an einem dunklen Ort fest verschlossen. Aus Angst davor, in den eigenen Kindern dem Ungeheuer begegnen zu müssen, das ihn gezeugt hatte. Jetzt kehrte der Traum wieder. Seine Kinder würden als Menschenkinder auf die Welt kommen und nur sich selbst gleichen.
    Rankstrail wurde sich bewusst, dass er für die Kinder, die er haben würde, schon Spielzeug besaß. Er dachte, dass es das Paradies gab und er es erreicht hatte. Es lag in Auroras Atem an seiner Schulter. Er konnte ihren Duft spüren, während seine Hände auf ihrem warmen blonden Haar lagen. Er dachte an die Tage und Nächte, die einander ablösen würden in der kostbaren Gegenwart Auroras. Die Kinder, die sie in ihrem Schoß getragen hatte, würden ihn Vater nennen. Aurora teilte mit ihm die Furcht der Kinder unwürdiger Eltern, in den eigenen Kindern die monströsen Züge ihrer Erzeuger wiederentdecken zu müssen. Er und Aurora würden lernen, sich selbst zu lieben, indem sie sich im Blick des anderen erkannten.
    Rankstrail fragte sich, ob es stimmte, was Lisenstrail behauptet hatte, dass die Kinder von Königen gezwungen waren, allein zu schlafen, in Zimmern, wo nur sie waren.
    Lisentrail hatte nämlich eines Tages zu ihm gesagt: »He, Hauptmann, hast du gewusst, dass die Kinder von Königen allein in einem dunklen Zimmer schlafen müssen, ohne wen, der ihnen eine Geschichte erzählt oder ihnen etwas vorsingt? Davon bekommen sie einen miesen Charakter, und wenn sie erwachsen sind, liefern sie die Leute dann dem Henker aus.«
    Ranstrail hoffte, dass man es nicht als zu unschicklich betrachten würde, dass er die seinen in der Nähe haben wollte, sodass er ihnen in stürmischen Nächten das Märchen vom Wolf und von der Ziege erzählen konnte, damit sie keine Angst hatten, und diesmal würde er die Geschichte auf die übliche Weise enden lassen, mit Wolf und Ziege, die einträchtig den Morgen erlebten. Auch wenn die Menschen niemals die Grausamkeit ablegen, die die Götter ihnen verliehen haben, damit sie sich ernähren können, so ist doch auch wahr, dass der Traum davon, dass Wolf und Ziege friedlich beieinanderliegen, geträumt werden muss. Er würde aus seiner Schleuder wieder eine Flöte machen, damit ihre Töne die Worte der Erzählung untermalen und die Pausen ausfüllen konnten.
    Wie es selbst im königlichen Marstall vorkommt, wo zwischen den Hufen der edelsten Rösser Mäuse umherhuschen, gingen ihm sogar in
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