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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Autoren: Silvana de Mari
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Flöße, und nun war da nichts mehr, womit man die Menschen hätte warnen können.
    Man hatte die Truppen abgezogen, die Festungen waren verfallen und Frösche hatten sich darin angesiedelt, der Kohl war im Schlamm verfault und es war kein Getreide mehr gewachsen.
    Elend hatte sich in der Welt ausgebreitet und mit dem Elend waren, getrieben vom eigenen Hunger und angelockt durch die Nachlässigkeit der Menschen, Banden und Horden von Orks eingefallen und das einzige Hindernis auf ihrem Vormarsch waren Frösche gewesen.
    Ganze Familien waren geflohen vor den Überfällen, vor der Grausamkeit und dem Wahnsinn derer, für die Zerstörung die einzige Lust und Freude ist, und nach ihrer Flucht waren sie herumgeirrt, bis sie, wie Schiffbrüchige an einem Felsenstrand, im Äußeren Bezirk der Stadt Varil landeten.
    Hauptmann Rankstrail konnte sich an das erste Mal, da er Varil gesehen hatte, nicht erinnern: Er war erst ein paar Tage alt, als seine Familie von den Grenzen der Bekannten Welt aufbrach. Er lebte in einem sehr beschränkten Universum, bestehend aus dem Geschmack von Milch, dem Geruch seiner Mutter, dem Rücken, auf dem er getragen wurde, in einem Sack, der aus einem alten Stück Kleiderstoff gemacht war und mit einem langen, geflochtenen Lederriemen verschnürt wurde. Manchmal war es der Rücken seiner Mutter, öfter aber der seines Vaters: Er unterschied sie nach dem Rhythmus der Schritte, die ihn wiegten, dem Klang der Stimme, die ihn während der nicht enden wollenden Tage der Wanderung in den Schlaf sang.
    Seine Familie war eine der vielen, die vor den Orks flüchteten, ihre Geschichte glich denen vieler anderer, es waren Geschichten von Schreien in der Nacht, mit der Axt eingeschlagenen Türen, Hühnern, die in brennenden Hühnerställen schmorten, ohne jeden Bratengeruch oder Duft nach Rosmarin.
    Seine Familie war nach Varil gekommen, an einem hellen Nachmittag im ersten Frühling, kurz bevor die Sonne hinter dem Hügel mit den blühenden Mandelbäumen unterging, über dem sich mächtig die Stadtmauern aus weißem Marmor erhoben. Im Wasser der Reisfelder spiegelte sich das Bild der Stadt und des Himmels, und es entstand der Eindruck von einer in der Luft hängenden Welt, übergossen von Blau, das sich golden färbte, als die Sonne zum Horizont hinabsank.
    Auch wenn Rankstrail die Mauern wahrnahm, erschienen sie ihm wohl nicht bemerkenswerter als die Hühnerställe seiner Heimat; jedenfalls gab er nicht zu erkennen, dass er den Unterschied zu schätzen wusste, und schlief ungerührt in seinem Stoffsack weiter. Trotzdem hatte er eine deutliche Erinnerung an diesen Tag. Dieser erste Anblick, diese Mauern aus blendend weißem Marmor und die Reisfelder, das Staunen über diese Pracht, die Dankbarkeit gegenüber dieser Stadt, die nicht die ihre war, sie aber bereitwillig aufnahm, sie freundlicherweise nicht verjagte, sie, Flüchtlinge ohne Habe und ohne Land, all das floss in die Geschichte ein, die sein Vater ihm in späteren Jahren des Abends mit ruhiger Stimme zum Einschlafen erzählte.
    Schon als Kind war Rankstrail klar, dass Varil seine Stadt war, der Ort, für den zu kämpfen er stets als eine Ehre betrachten würde. Hätte man ihn vor die Wahl gestellt, wofür er sterben wollte, er hätte Varil gewählt.
    Schon als Kind fragte er sich manchmal, was nach dem Tod sein würde.
    Beim Ritterspiel der Jungs hieß es, Helden, die für ihr Land gefallen waren, erwartete bei den Göttern die Seligkeit. Der Begriff war rätselhaft, und Rankstrail schloss, er müsse wohl irgendeine hervorragende Behandlung beschreiben, eine Situation, in der Würste, getrocknete Feigen, frischer Ziegenkäse und vor allem Honig, der Inbegriff aller Süßigkeit, einmal nicht nur vorhanden, sondern in reichlichem Maße vorhanden waren.
    Honig hatte Rankstrail kurz vor der Geburt seiner Schwester Fiamma kennengelernt. Es war ein sonniger Morgen, und wie immer begleitete er seine Mutter, die Waschfrau war, mit einem großen Korb Wäsche ins Haus des Prinzen Erktor, der vor Kurzem zum Herrscher gewählt worden war. Der Palast des Prinzen lag in der Zitadelle, im Herzen der Stadt, die sich in drei Bereiche gliederte: eben die Zitadelle, den Mittleren und den Äußeren Bezirk.
    Die Zitadelle, der innerste und am besten geschützte, am höchsten gelegene Teil der Stadt, war der Kern, aus dem sie hervorgewachsen war, der älteste und vornehmste Teil. Da standen, inmitten üppiger Gärten und geschmückt von prächtigen Kolonnaden, die
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