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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Autoren: Silvana de Mari
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Paläste des Adels. Unter wilden Zitronen und Orangenbäumen, die die Gehwege säumten, plätscherten Brunnen.
    Rankstrail war sehr groß und kräftig für sein Alter wie nur wenige der Kinder aus den Grenzlanden. Er ging Wasser holen, hackte Holz und half seiner Mutter den Wäschekorb tragen. Solange Rankstrail sich erinnern konnte, war sie immer Waschfrau gewesen, doch plötzlich begann ihr Bauch, dicker zu werden, was bedeutete, wie Rankstrail aus den Reden der Nachbarinnen entnahm, dass da ein Mädchen oder ein Junge drin war, die noch zu klein waren, um wie er an der frischen Luft zu leben. Sie schaffte ihre Arbeit nicht mehr, oder jedenfalls nicht mehr so wie früher. Das Wasser war zu kalt geworden, der Waschtrog zu niedrig, vor allem aber das Gewicht des Korbs war nun unerträglich. Rankstrail, der seine Mutter bisher immer nur aus Lust an der Gesellschaft begleitet hatte, begann, sich nützlich zu machen, was ihn mit maßlosem Stolz erfüllte. So konnte sie auch weiterhin als Waschfrau arbeiten, was der Familie das Abendessen und manchmal auch ein Mittagessen sicherte, denn auch wenn der Vater sehr gut im Bearbeiten von Holz war, waren doch die, für die er arbeitete, oft nicht so gut im Bezahlen.
    Rankstrail wusste nicht, wie alt er war, vielleicht fünf oder auch sechs, die Armen zählten die Jahre nicht. Außer dem Gewimmer seiner frühesten Kindheit hatte er noch nie etwas von sich gegeben. Er hatte bisher nie gesprochen, er lachte nur selten, und nur in Ausnahmefällen weinte er.
    Gewöhnlich war im Haus von Sire Erktor eine mürrische Haushälterin, die die Wäsche Zoll für Zoll nach nicht vorhandenen Flecken absuchte, um der Waschfrau sagen zu können, sie habe schlampig gearbeitet, und ihr weniger zu zahlen. An diesem Tag aber trafen sie überraschenderweise in dem großen Wäscheraum Dame Lucilla persönlich an, die Hausherrin, eine große und stattliche Frau. Sie sagte, es sei alles bestens und es sollten der Mama zwölf Groschen ausgezahlt werden – mehr als das Doppelte der vereinbarten Summe –, wie die Haushälterin mit einem Stöhnen bemerkte.
    Die Dame war um einiges größer als Rankstrails Mama, sie hatte ebenfalls einen dicken Bauch und lächelte. Ihr Haar war hell, im schräg einfallenden Morgenlicht leuchteten ihre um den Kopf gelegten Zöpfe einen Augenblick lang wie eine Krone. Das Kleid der Wäscherin war ganz aus quadratischen Flicken zusammengesetzt, in Hell- und Dunkelbraun, Grau und Schwarz; es erinnerte an die Hügel von Varil im Herbst, wenn die Felder in unterschiedlichen Brauntönen leuchten, je nachdem in welcher Richtung sie gepflügt waren. Das Kleid der Dame hingegen war völlig weiß, mit solchen kleinen, weißen, runden Dingern darauf, die leuchteten wie die Hügel, wenn sie von Schnee bedeckt waren, was nur ganz selten vorkam. Auch die Flechten auf dem Kopf wurden von denselben Kügelchen gehalten, die das Licht verstärkt zurückwarfen.
    »Was für einen braven Sohn Ihr habt! Er trägt Euch den Korb! Das muss ein großer Trost und eine unschätzbare Hilfe für Euch sein!«, sagte die Dame, während Rankstrails Mutter feuerrot wurde wie eine Paprika.
    Rankstrail wunderte sich ein wenig über diese Worte, aber sie gefielen ihm. Zum ersten Male redete jemand seine Mama mit »Ihr« an. Als Anrede für eine Waschfrau hatte er das noch nie gehört, und er bemerkte, dass das nichts war, wovon man satt wurde, das aber doch Freude macht, wie der Duft von frischem Brot oder im Winter die Füße ans Feuer zu halten.
    »Auch ich werde recht bald ein Kind bekommen, mein erstes«, sprach die Dame weiter, vom Schweigen der Mutter unbeeindruckt. »Ich hoffe, mein Kind wird so kräftig wie Eures und genauso klug. Wenn es ein Junge ist, werden wir ihn Erik nennen, wisst Ihr. Aber ich sehe, dass Ihr ein zweites erwartet. Wann soll es zur Welt kommen?«
    Die Mama blieb stumm. Rankstrail, der sie kannte, wusste, dass sie gelähmt war von dem, was sein Vater Schüchternheit nannte, eine Art totaler Schrecken, in den seine Mutter jedes Mal verfiel, wenn sie mit irgendjemand Unbekanntem sprechen musste, selbst wenn das nur ein beliebiger Bettler aus dem Äußeren Bezirk war, diesmal aber war es noch dazu eine Dame.
    »He du!«, erklang die mürrische Stimme der Haushälterin. »Antworte gefälligst, wenn die Dame dir die Ehre erweist, das Wort an dich zu richten.«
    Das Gesicht seiner Mutter wurde noch tiefer rot, röter als die Paprikas, die beim Nordtor wuchsen und die Rankstrail
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