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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Autoren: Silvana de Mari
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verdient und eines Landes würdig ist.
    Wenn nicht er, wer dann?
    Ihr Blut floss in seinen Adern. Auch die Orks waren sein Volk.
    Er musste einen Weg finden, sich etwas ausdenken, und während er noch darüber nachgrübelte, bemerkte er, dass er die Lösung bereits in Händen hielt. Er hatte die Gefangenen.
    Rankstrail hatte sich bereit erklärt, Gefangene zu machen, weil er es Erbrow versprochen hatte.
    Ein einziger Tag, an dem sie Gefangene machten, hatte genügt, damit ihnen die Vorstellung, diese zu töten … wie sagte noch Aurora … nicht mehr praktikabel erschien.
    Sie hatten die Gefangenen. Durch Feldarbeit würden sie sich ihre Freilassung verdienen: Man würde sie erst freilassen, wenn sie das Bauernhandwerk erlernt hatten. Er würde Land verteilen und mit den Herden würden sie es machen wie in Kastei Hohe Wacht … Geschenkte Dinge haben keinen Wert, sie werden vergeudet und sind schnell aufgebraucht. Ein System von redlichen Krediten im Verbund mit Steuerfreiheit würde erlauben, den Reichtum ins Unendliche zu steigern. Man musste die Frauen vor den Orks schützen. Völker, bei denen die Frauen keine Achtung genießen und bloß das Mittel sind, durch das ein Krieger einen neuen Krieger erschafft, werden unausweichlich für immer im Schlamm und Blut der Kriege versinken. Völker, die Frauen verachten, bestehen aus Männern, deren Seele in den ersten Lebensjahren gezeichnet wird von der ätzenden Verachtung, die ihre Mütter traf. In Ländern, wo die Frauen Sklavinnen sind, kommt jeder Mann als Sohn einer Sklavin zur Welt, und das raubt ihm für immer die Vorstellung, etwas denken, tun, entdecken, sagen, träumen zu können, was nicht die Väter und Vorväter auch schon geträumt, getan und gesagt haben. Wer als Sohn einer Sklavin geboren wird, bleibt in seiner Seele immer Sklave, ewiger Untertan. Deshalb waren die Orks keine Individuen, sondern Teile eines Heeres, jederzeit und mit Gleichmut bereit, ihr Leben zu opfern.
    Ein Leben ohne das Abenteuer des Denkens war eine so dumpfe Sache, dass man es auch wegwerfen konnte, einzig zu dem Zweck, so viele Feinde wie möglich zu töten, gleichgültig, wenn nicht mit Lust.
    Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte Rankstrail zwischen Magen und Rückenwirbel, unfasslich, undefinierbar, unverwechselbar, ein Gefühl der Angst, wie er es noch nie empfunden hatte.
    Er wollte nicht sterben.
    Er wollte nicht verletzt werden.
    Er wollte nicht, dass sein Blut auf dem Schlachtfeld im Schlamm endete. Er wollte, dass es in seinen Adern blieb, damit er zu Aurora zurückkehren konnte, in sein Haus, wo seine Kinder auf Teppichen in der Farbe des Winds und der Sonne auf allen vieren herumkrabbeln würden. Ihm wurde bewusst, dass der Mut, der ihn auf all seinen Wegen begleitet hatte, viel von der Gleichgültigkeit der Orks hatte. Jetzt waren sein Leben und sein Blut ein Gut geworden: Aurora liebte sie. Er wollte sie nicht mehr verlieren. Ihm wurde bewusst, dass er, wenn er weiterhin in den Kampf ziehen wollte, den schmerzlichen Mut der Menschen erlernen musste voranzugehen, auch wenn die Angst sich in die Eingeweide krallt.
    Diplomatisches Geschick und der Reichtum der Erde konnten die Kriege verringern, sie vielleicht sogar in Vergessenheit bringen.
    Er war fähig, König zu sein. Der Geldverleiher hatte ihm gezeigt, wie man Geld nutzt, damit die Erde keimt und Früchte bringt, da nur Wohlstand die Grausamkeit der Völker mildert. Er war auch fähig, sich bei Tisch zu benehmen, wenn er mit Botschaftern essen musste. Alles hatte seinen Sinn gehabt.
     
    Rankstrail sah noch einmal Aurora an, dann wandte er den Blick zum Horizont und der Horizont veränderte sich, begann zu strahlen. Vor ihm lag jetzt das zukünftige Land der Orks. Er sah Städte entstehen, Brücken, die sich über Flüsse wölbten und Täler überwanden, dort, wo sich jetzt nur öde Steppe dehnte. Er sah den Mais in regelmäßigen Reihen stehen neben zerrupften Lupinenfeldern, dort, wo jetzt nur finstere Wälder waren. Er sah das Volk der Orks, das seine Lehmhütten und Zelte aus ungegerbtem Leder verließ und Städte aus Stein und Marmor errichtete, wo türkisfarbene und goldene Kuppeln das Licht des Himmels einfingen und riesige Bibliotheken den Stolz des freien Denkens und der Wissenschaft neu begründeten.
    Mit Aurora an seiner Seite war alles möglich.
    Er nickte.
    Er verweilte noch bei der Vision, und als die Stadt, die Bögen und Kuppeln zitternd verloschen wie eine Kerze im Wind, hatte sich das Bild
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