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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Hoffman
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es schon vor Adam eine Art Menschheit gab. Gott vernichtete sie durch eine gewaltige Flut, in der die gesamte Welt unterging. Und dann begann er von vorn.«
    »Alles?«
    »Alles. Bis zum letzten Grashalm.«
    »Klingt doch recht einfach. Warum kann er das nicht noch einmal tun?«
    »Zu viele Menschen, nicht genug Wasser. Und zu viel Gras.«
    »Glaubt der Papst das alles?«
    »Nicht wirklich«, antwortete Bosco. »Aber was immer er auf Erden versäumt, mag er im Himmel nachholen.«
    »Das verstehe ich nicht… Ach so, jetzt verstehe ich.« Cale dachte kurz darüber nach, was er verstanden zu haben glaubte. »Ihr plant also, den Papst zu töten und seinen Platz selbst einzunehmen.«
    »Wenn ich es nicht schon besser wüsste, würde ich meinen, du seiest eher ein Teufel denn ein Engel. Glaubst du denn wirklich, du könntest einen von Gott gesalbten Papst ermorden, ohne sofort selbst verdammt zu werden?«
    »Vermutlich nicht.«
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Bosco wartete darauf, dass Cale ihn um eine Erklärung bat. Und Cale wusste es und weigerte sich trotz seiner Neugier, Bosco diese Befriedigung zu verschaffen.
    »Der Papst ist nicht er selbst«, sagte Bosco schließlich.
    Cale war erstaunt; solch eine Aussage über einen Menschen hatte er noch nie gehört. »Wer ist er denn dann?«
    »Nein, ich meine, es geht ihm nicht gut. Er ist ein alter Mann und leidet an einer Krankheit des Verstands– eine Schwächung, die immer schlimmer wird. Er vergisst vieles.«
    »Ich vergesse auch vieles.«
    »Er vergisst, wer er ist.«
    »Wenn es ihm so schlecht geht, wird er bald sterben.«
    »Es geht ihm so schlecht, aber Menschen, die davon betroffen sind, leben oft noch lange– sehr lange.« Er blickte Cale an und genoss das Gefühl, aufs Neue sein Meister zu sein.
    »Was soll ich also tun?«, fragte Bosco. Es war eigentlich keine Frage, sondern ein Stichwort, um Cale Gelegenheit zu geben, sein gutes Urteilsvermögen zu beweisen.
    »Ihr müsst dort sein, wenn er stirbt, und selbst Papst werden.«
    Bosco lachte. »Leichter gesagt als getan.«
    »Lacht nur. Aber habe ich denn Unrecht?«
    »Nein– schauen wir diese komplexen Dinge doch einmal von der einfachsten Seite her an. Das wäre in der Tat das Ergebnis, aber was steht am Anfang? Selbst für sehr kluge Menschen ist es manchmal hilfreich, wenn sie von etwas Abstand gewinnen, das sie ihr ganzes Leben lang vor Augen hatten.«
    Erst nach sehr langer Zeit fragte Cale: »Wie mächtig seid Ihr?«
    Bosco lachte. »Hervorragende Frage. Indem du Bruder Picarbo ermordet hast, warst du so freundlich, mich vom, sagen wir mal, zehnten Rang in der Nachfolge des Papstes auf vielleicht den neunten Platz vorzuschieben.«
    »Ihr hättet mich deshalb nicht bestraft?«
    »Schwer zu sagen. Damals kamen mir deine Handlungen nicht sehr passend. Meine Pläne für dich– für das alles– lagen Jahre in der Zukunft. Zehnter in der Papstnachfolge bedeutet so viel wie überhaupt nie Papst zu werden. Dein Verschwinden und meine Suche nach dir haben die Dinge auf höchst eigenartige und unerwartete Weise beschleunigt. Memphis ist gefallen. Vieles davon ist mir zuzuschreiben; der Rest ist dir zu verdanken. Heute bin ich Dritter in der Papstnachfolge. Leider«– er lächelte– »ist Dritter in der Nachfolge in Wirklichkeit nicht viel besser, als Zehnter oder Zwanzigster zu sein.«
    »Wer ist Erster oder Zweiter in der Nachfolge?«
    »Du triffst den Nagel auf den Kopf!«, spottete Bosco. »Gant und Parsi.«
    »Nie von ihnen gehört.«
    »Warum auch? Ich habe mich getäuscht, als ich annahm, dass es für dich mit diesen Dingen noch zu früh sei.«
    »Und jetzt wollt Ihr mir also alles erzählen?«
    »Nein– ich werde dich auffordern, es selbst herauszufinden.«
    »Warum erzählt Ihr es mir nicht einfach?«
    »Weil du es klarer erkennen wirst, wenn du es selbst herausfindest. Und auch, weil es mir so größeres Vergnügen bereitet.«
    Bosco, der Teufel, der Cale das ganze Leben lang gequält hatte, forderte ihn also auf, all seine Geheimnisse zu erraten! Welcher halbwegs intelligente Junge würde da nicht neugierig, egal, wie tief sein Hass auch sein mochte?
    »In der Bibliothek stand ein Buch mit einem eigenen Buchschloss– der Zensus. Ich konnte zwar andere verschlossene Bücher öffnen, dieses jedoch nicht.«
    »Aber immerhin hast du es geschafft, das Schloss zu zerstören.«
    »Wie groß ist das Imperium des Erlöserordens?«
    »Es ist kein Imperium, sondern ein Staatenbund. Er stellt
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