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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Hoffman
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eine Vereinigung von dreiundvierzig Ländern dar und hat, dem jüngsten Zensus zufolge, die Möglichkeit, einhundert Millionen Menschen zu erlösen.«
    »Wie groß ist die ganze Welt?«
    »Ich weiß es nicht genau. Hinsichtlich Indiens und Chinas wissen wir recht wenig. Aber in Bezug auf die Vier Quadranten, ohne Memphis, sind wir vielleicht viermal größer und viele Male reicher, als man von uns im Allgemeinen vermutet.«
    »Warum ohne Memphis?«
    »Die Macht von Memphis beruhte auf seiner militärischen Stärke. Wir eroberten Memphis und vernichteten die Materazzi, konnten aber ihr Imperium nicht erobern– es brach lediglich zusammen. Danach erklärte sich jedes Land, das zum Materazzi-Reich zählte, für frei und begann, mit seinen Nachbarn über dieselben Angelegenheiten zu streiten, über die man sich schon gestritten hatte, bevor die Materazzi an die Macht kamen. Die Einnahme von Memphis hat sich als zweischneidiges Schwert erwiesen, und zu gegebener Zeit mag sie sich durchaus als Nachteil herausstellen.«
    »Wenn das Imperium der Erlöser ein so viel größeres Imperium ist, als alle glauben…«
    »Staatenbund«, unterbrach ihn Bosco.
    »…als alle glauben, warum kommt Ihr dann beim Kampf gegen die Antagonisten nicht voran?«
    »Gut. Sehr richtig.« Bosco freute sich offenbar über die Frage. »Der Staatenbund der Erlöser ist nicht nur riesig, er ist auch aufgebläht und voller Widersprüche. Manche Teile des Bundes sind nachlässig in Glaubensfragen und neigen zu so vielen Gotteslästerungen, dass sie kaum noch besser sind als die Antagonisten. Viele beziehen von uns mehr Unterstützung, als sie Steuern an uns abführen. Andere sind Glaubensfanatiker, streiten sich jedoch untereinander über irgendwelche doktrinären Bagatellen. Außerdem gibt es zahlreiche Glaubensdifferenzen, die teilweise in Gefahr sind, selbst zu richtigen Häresien wie die des Antagonismus zu werden.«
    »Wenn die Dinge so schlecht stehen, warum wurdet Ihr dann nicht schon längst von den Antagonisten besiegt?«
    »Abermals eine gute Frage. Sie stehen im Grunde vor denselben Problemen. Die Menschheit wird nicht durch einen Mangel an Religion zerstört, sondern die Menschheit zerstört die Religion. Eine solche Kreatur ist unfähig, zum Ebenbild Gottes zu werden. Gott hat es versucht und ist gescheitert. Er wird es weiter versuchen.«
    »Ich dachte, Gott sei vollkommen«, sagte Cale.
    »Gott ist vollkommen.«
    »Warum hat er dann bei der Menschheit ein solches Durcheinander angerichtet?«
    »Weil er vollkommen großmütig ist. Gott ist nicht irgendein Verbrecher, der bei seinem eigenen Kartenspiel schummelt. Er möchte mit uns frei und aus unserer freien Entscheidung umgehen. Nicht einmal Gott kann einen Kreis zum Quadrat machen. Gott ist einsam– er will, dass die Menschheit sich für den Gehorsam entscheidet, aber er will sie nicht durch Furcht dazu zwingen. Verstehst du denn überhaupt, was ich dir erkläre?«
    »Ich verstehe, was Ihr mir sagt, ja.«
    »Weder ich noch Gott, dem wir beide dienen, braucht deine Zustimmung. Du bist weder ein Mensch noch ein Gott, du bist Fleisch gewordener Zorn und Enttäuschung. Was du tust ist das, was du bist. Was du denkst, ist unwichtig.«
    »Und wenn alles vorbei ist?«
    »In meinen Visionen erfuhr ich, dass du dann geholt wirst. Man wird dich wegbringen, auf die Insel Avalon, ein Ort, an dem Milch und Honig fließen. Dort wirst du leben, in weißen Samit gekleidet, bis eine Zeit kommt, in der dich Gott wieder braucht.«
    Danach schwieg Cale für beträchtliche Zeit.
    »Erzählt mir von Chartres.«
    »Die Ordensburg ist das militärische Herz des Glaubens, aber das ist auch zugleich der Grund, warum sie hier am Ende der Welt liegt– um ihre Reichweite und ihren Einfluss zu begrenzen. Chartres dagegen ist das Zentrum. Obwohl ich große Macht besitze, würde jeder Befehlshaber, der sich Chartres auf weniger als vierzig Meilen nähert, durch ein Dekret des Papstes exkommuniziert. Ich selbst habe nur mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis Zutritt– die ich selten genug bekomme–, und niemals mit mehr als einem Dutzend Priester in meiner Begleitung. Und selbst dann bin ich ihm noch nie allein begegnet. Gant und Parsi halten ihn wie einen Einsiedler; er ist vollständig von der Welt abgeschnitten.«
    »Kann ich mir nicht richtig vorstellen«, sagte Cale. Dann, nach kurzer Pause: »Warum bringen sie Euch nicht einfach um?«
    »Wie gewöhnlich immer geradeheraus. Sie sehen in mir einen Rivalen, aber
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