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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur
Autoren: Charlotte Link
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falsch reagiert hatte, aber er hatte sie nicht umgebracht.
    Darauf habe ich sein Wort. Nichts sonst .
    Sie würde es nie ganz genau wissen. Ihr ganzes Leben lang nicht. War Elaine rückwärts zur Treppe gewichen und dann gestürzt? Oder war Marc auf sie losgegangen, hatte sie gestoßen, geschlagen, hatte vielleicht vollkommen die Beherrschung verloren, viel mehr, als er nun zugab?
    Marc war weit gegangen, die unglückselige Geschichte, wie auch immer sie sich genau zugetragen haben mochte, zu vertuschen. Wie weit würde er noch gehen? Selbst wenn ihm die Polizei seine Version abnahm, selbst wenn er ausschließlich für seine Vertuschungstaktik bestraft würde und nicht für ein Tötungsdelikt, würde seine Karriere diesen erneuten Einbruch nicht überstehen. Die Presse würde ihn vernichten, noch einmal würde ihm ein Neuanfang nicht gelingen. Eine Versöhnung mit Josh, auf die er mit dessen fortschreitendem Alter und damit wachsender Einsicht noch immer hoffte, rückte in aussichtslose Ferne.
    Ich bin der Schlüssel zur endgültigen Katastrophe in seinem Leben.
    Er kannte ihre Schuldgefühle gegenüber Elaine. Ihr Verpflichtungsgefühl gegenüber deren Bruder. Gab es in ihm die geringste Hoffnung, sie werde sich bereit erklären, über all das zu schweigen, was sie an diesem Morgen an Bord der Heaven's Gate erfahren hatte?
    Und wenn er diese Hoffnung nicht hegte, was würde er tun? Darauf warten, dass sie zu Scotland Yard ging? Oder …
    Warum versteckt er sich? Wo ist er? Was hat er vor?
    Hastig öffnete sie die Wagentür, klappte das Handschuhfach vor dem Beifahrersitz auf, wühlte darin herum. Natürlich war kein Zweitschlüssel darin zu finden, wer deponierte schon seinen Ersatzautoschlüssel im Handschuhfach? Sie konnte nicht weg. Sie stand hier in dieser gottverlassenen Einsamkeit und konnte nicht weg, und irgendwo, ganz nah, war Marc, ein Mann, der sich als völlig in die Enge getrieben empfand. Der, zumindest seinem Gefühl nach, nichts mehr zu verlieren hatte.
    Kurz erwog sie, sich ins Auto zu setzen, die Türen zu verriegeln und zu hoffen, dass irgendwann entweder der Bootsmann auftauchte oder eines der Clubmitglieder. Wollte denn niemand auf den Fluss hinaus an diesem schönen Frühlingstag? Oder sein Boot reparieren oder einen Frühschoppen im Clubraum trinken, oder irgendetwas tun? Vielleicht am späteren Nachmittag. Am Samstag gingen die meisten Leute zunächst zum Einkaufen. Es konnte dauern, bis jemand aufkreuzte.
    Und niemand wusste, wo sie war.
    Halt, das stimmte nicht. Ihr fiel der Anruf ein – wie viele Stunden lag er jetzt zurück? Marina, Robs Mutter und Dennis' Exfreundin. Sie hatte ihr gesagt, wo sie war, aber die Verbindung war schlecht gewesen, sie wusste nicht, wie viel die andere verstanden hatte. Im Übrigen hatte sie versprochen, sich später zu melden. Es würde dauern, bis es Rob komisch vorkam, dass sie sich nicht rührte. Falls er das überhaupt seltsam fand. Sie hatte ihn schon einmal vergessen in den letzten Tagen.
    Marc hatte den Autoschlüssel. Er konnte die Türen jederzeit von außen entriegeln, und wie sollte sie dann so rasch die Kontrolle über vier Türen und einen Kofferraum wiedererlangen?
    Sie fuhr herum, als sie hinter sich ein Geräusch zu hören glaubte, aber da war nichts, sie musste sich getäuscht haben. Unten am Clubhaus und am Bootssteg rührte sich nichts. Marc konnte sich in einem Bogen durch den Wald bis nach hier oben ungesehen durchschlagen und plötzlich von der anderen Seite kommen. Er konnte von jeder Seite kommen. Sah er das als seine einzige Chance? Rosanna mundtot zu machen und dann zu hoffen, dass die Polizei Pamela Lukes Aussage nicht mit ihm in Verbindung brachte? Würde er so weit gehen?
    Sie kannte ihn nicht. Eigentlich kannte sie ihn überhaupt nicht. Sie hatte sich in ihn verliebt – in sein attraktives Äußeres, in seine Freundlichkeit, vielleicht auch in seine Melancholie. Aber an wesentlichen Stellen hatte er gelogen, als er über sich sprach, immer wieder hatte er sich verstellen und ihr etwas vormachen müssen, und deshalb wusste sie bislang nicht viel mehr von ihm, als dass er ein guter Schauspieler war. Im Grunde wusste sie nicht einmal, ob er nicht doch ein notorischer Ehebrecher war, wie Jacqueline behauptete.
    Und sie wusste nicht, ob er ein Mörder war.
    Sie musste fort von hier. So rasch sie konnte. Sie wartete schon viel zu lange, und es gab keine harmlose Erklärung mehr für Marcs Verschwinden. Die harmloseste wäre noch die,
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