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Die letzte Schoepfung

Die letzte Schoepfung

Titel: Die letzte Schoepfung
Autoren: Patricia Lewin
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zum ersten Mal von seinen Erfolgen berichtet hatte. Immerhin glaubte auch sie daran, dass die Genforschung der Menschheit eines Tages von unschätzbarem Nutzen sein werde. »Turners Methoden waren falsch.« Auf schreckliche, verbrecherische Weise falsch. Sydney hatte Dateien heruntergeladen, in denen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt wurden. Turner hatte sämtliche Fälle akribisch dokumentiert – hunderte, vielleicht tausende gescheiterter Versuche. Sydney hatte keine Zeit gehabt, alles zu lesen, doch die Stichworte hatten sie förmlich angesprungen: Totgeburt … missgebildet … genetischer Defekt…
    »Er hat Abkürzungen genommen und schwere Fehler gemacht«, sagte sie. »Und um seine Ergebnisse zu stützen, hat er die Kinder absichtlich infiziert, um festzustellen, was dann geschieht.« Sie schauderte beim Gedanken an Dannys vermisste Freunde. »Manchmal sind die Kinder daran gestorben.«
    Ethan packte das Steuerrad fester. »Und all das hast du auf CD?«
    »Jedenfalls genug. Vor allem haben wir die Kinder.«
    Sydney versank wieder in Gedanken. Zu ihrer Angst um die Kinder kam noch etwas – ein Thema, das sie und Ethan geflissentlich mieden: Nicky. Früher oder später würden sie darüber sprechen müssen, was ihrem Sohn zugestoßen war.
    »Sydney?« Ethans Stimme klang besorgt. »Geht's dir gut?«
    Sie war in Gedanken, nahm die Frage kaum wahr. Wie konnte es einem von ihnen gut gehen? »Ethan…« Sie zögerte, fragte sich, ob es nicht der falsche Zeitpunkt war, sagte dann aber: »Ich gebe dir keine Schuld an Nickys Tod.«
    Alle Anspannung schien aus seinem Körper zu weichen. »Ich wünschte, du hättest es nicht auf diese Weise erfahren müssen.«
    »Ich auch.« Obwohl sie bezweifelte, dass einem die Ermordung des eigenen Sohnes schonend beigebracht werden konnte. »Hättest du es mir denn jemals gesagt?«
    Er dachte nach. »Ich weiß es nicht.«
    Sydney aber wusste es. Ethan hätte es ihr nie gesagt, hätte es vor ihr geheim gehalten, auch wenn es ihn innerlich zerrissen hätte. Diese Last hätte er ihr nicht aufbürden wollen. Denn so war er eben: Er schützte andere, auch wenn er es selber nicht verkraftete.
    Ethan war eine bezwingende Mischung aus Stärke und Mut, Schwächen und Fehlern. Er war unbewaffnet in ein Schlangennest eingedrungen, um ein Kind zu befreien, aber er hatte auch ohne Zögern getötet.
    Sydney wusste, dass zumindest dieser Charakterzug ihren Abscheu hervorrufen müsste. Es war eine Eigenschaft Ethans, die gegen ihre innerste Überzeugung ging. Und doch konnte sie ihn für seine Taten nicht verachten oder gar verdammen. Er hatte getan, was letztendlich nicht zu vermeiden war, um ihrer aller Leben zu retten.
    »Sydney?«
    Ihr wurde klar, dass sie ihn angestarrt hatte. Sie spürte, wie ihre Wangen brannten, und wandte rasch den Blick ab. »Tut mir Leid.«
    »Es muss dir nicht Leid tun.« Ethan nahm ihre Hand, die in den langen Ärmeln seiner Jacke steckte, ohne den Blick vom Wasser zu wenden. »Wohin geht es für uns beide, wenn das hier vorbei ist?«
    Die Frage kam nicht überraschend. Sydney hatte sich die gleiche Frage gestellt, als sie auf der Insel festsaß; sie hatte sich gewünscht, den Mann, der einst ihr Ehemann gewesen war, noch einmal sehen zu können. Und das war nicht das erste Mal gewesen: Seit dem Morgen, als Ethan bei ihr vor der Tür erschienen war, hatten beide so getan, als gäbe es die frühere Anziehung nicht mehr. Doch das war eine Lüge.
    Sydney hatte nie aufgehört, ihn zu lieben und zu begehren.
    Doch inzwischen war sehr viel geschehen, und es war noch lange nicht vorbei. »Ich weiß nicht, wie es mit uns weitergeht«, beantwortete Sydney nun seine Frage. »Solange die Kinder nicht versorgt sind, habe ich nicht das Gefühl, meine Aufgabe beendet zu haben. Oder in Sicherheit zu sein.« Sie zog ihre Hand aus seiner und strich ihm über die Wange. »Frag mich später nochmal, wenn alles vorbei ist.«
    Er drehte sein Gesicht ihrer Handfläche zu und küsste sie sanft, während sein Blick sich in ihrem verfing. »Versuch ja nicht, mich davon abzuhalten.«
    Sie lächelte; sein Versprechen wärmte ihr das Herz.
    Sydney hätte später nicht sagen können, wie lange sie zum Festland gebraucht hatten. Der Himmel leuchtete schon im beginnenden Morgenrot. Die Behörden hatten Ethan per Funk mitgeteilt, er solle in einen kleinen Privathafen fern vom Jachthafen von Anacortes einlaufen. Am Ende des Piers warteten zwei Fahrzeuge, ein Van und eine dunkle Limousine.
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