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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
Autoren: Anthony Mark
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Sonnenstrahlen vergoldet zu werden. Travis stieg aus und warf die Tür ins Schloß, ohne sich die Mühe zu machen, sie zu verriegeln. Das Leben in einer Kleinstadt hatte seine eigenen kleinen Vorteile.
    Die Elk Street hatte sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert. Hätte man die Autos gegen Pferdewagen und den von Schlaglöchern übersäten Asphalt gegen roten Schlamm eingetauscht, hätte Castle Citys Hauptstraße nur wenig anders ausgesehen als auf dem Höhepunkt der Bergbauzeit. Sie verlief breit und schnurgerade durch das Herz der Stadt, ganz im Gegensatz zu den schmalen, verstopften Straßen der Ostküstenstädte, die von Menschen errichtet worden waren, die noch immer an die aus den Nähten platzenden Städte der Alten Welt gewöhnt waren, bis sie erkannten, wieviel Ellbogenfreiheit dieser neue Kontinent tatsächlich zu bieten hatte. Verwitterte falsche Geschäftsfassaden zeichneten sich scharf geschnitten und rechteckig vom Himmel ab, vor den meisten Gebäuden standen Haltebalken, obwohl heutzutage an ihnen für gewöhnlich Geländemotorräder festgemacht wurden statt Pferde.
    Entlang der Elk Street flammten Lichter auf, als der Abend dunkler wurde. Passanten spazierten über die Gehsteige in Richtung Mosquito Café, wo es den besten Cappuccino von ganz Castle City gab, plauderten vor McKays General Store oder blieben vor dem Schaufenster des Blue Mountain Earth Shop stehen und betrachteten die rauchigen Quarzkristalle, die Krawatten mit den aus Obsidian gefertigten Boloenden und die handbemalten Tarotkarten. Am Ende der Straße stand anmutig wie ein Geist Castle Citys altes Musiktheater mit seinen neugriechischen Säulen und seiner barocken Marmorfassade.
    Travis betrat den Gehsteig vor dem Saloon in genau dem Augenblick, in dem das Neonschild summend zu seinem blauen und roten Leben erwachte. Er griff nach dem Messingtürknopf, verharrte dann aber. Mit einem Stirnrunzeln beugte er sich vor und betrachtete die obere linke Ecke der Tür. Da. Es war so klein und unauffällig, daß er es beinahe übersehen hätte. Etwas war in den verblichenen grauen Anstrich der Tür gekratzt worden, ein aus zwei Bogenlinien zusammengesetztes Oval.

    Travis wußte nicht, was das Zeichen bedeuten sollte: Am wahrscheinlichsten war, daß es sich um ein Graffito handelte. Castle City kannte eigentlich keinen Vandalismus, aber gelegentlich kam er doch vor. Was auch immer es darstellen sollte, er war sich sicher, daß es am Vortag noch nicht dagewesen war. Die Kratzspuren sahen frisch aus. Travis seufzte. Nun, die Tür mußte sowieso neu gestrichen werden. Er setzte diese Arbeit auf seine immer länger werdende Liste, dann betrat er den Saloon. Das beruhigende Geraune von Konversation und das Klirren der Biergläser verrieten ihm, daß Max nicht alle Kunden vergrault hatte. Zumindest bis jetzt noch nicht.
    Max stand hinter der Theke und brütete über einem Bündel Papiere, das vor ihm auf dem alten Holz ausgebreitet lag. Sein langes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, hinter einem Ohr steckte ein Bleistift. Er strich sich über den schwarzen Sichelbart, den er vor ein paar Monaten von den örtlichen Rancharbeitern abgeschaut hatte, und schob einem Gast eine Schale mit Brezeln über die Theke zu. Plötzlich packte er den Bleistift und kritzelte etwas auf ein Blatt, dann beugte er sich zurück, kaute auf dem Radiergummi herum und zeigte das selbstzufriedene Lächeln eines Jungen, der gerade zwei Green Lantern und ein Superboy gegen ein Batman Giant Special eingetauscht hatte, um seine Comicsammlung zu komplettieren. Travis hatte sich nicht geirrt. Max ging wieder die Bücher des Saloons durch.
    Genau wie die Straße draußen hatte sich auch der Mine Shaft Saloon im Verlauf der letzten hundert Jahre kaum verändert. Heutzutage brannten elektrische Glühbirnen in den schmiedeeisernen Leuchtern, die von der mit Zinnplatten verkleideten Decke hingen, und über dem abgeschrägten Spiegel hinter der Bar leuchteten Neon-Bierreklamen, aber das war es auch schon. Mumifizierte Elch-, Hirsch- und Berglöwenköpfe starrten mit ihren Glasaugen von den Wänden, eingehüllt in Leichentücher aus Staub und Spinnweben. Von der Zeit verblichene Steckbriefe bedeckten die Pfosten, welche die mit Krimskrams vollgestellten Deckenbalken stützten. An der einen Wand stand ein antikes elektrisches Klavier, dessen nagelbesetzte Hämmerchen noch immer in der Lage waren, blecherne Musik zu klimpern.
    Die üblichen Stammgäste begrüßten Travis
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