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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
Autoren: Anthony Mark
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Sodom floh.«
    Die Stimme des Mannes klang wie das trockene Knistern, das ein sich durch Sand schiebender Schlangenbauch verursacht, war dabei aber von einer klebrigen Südstaatensüße durchdrungen. Eine Stimme, die auf einen Schlag Furcht und Hingabe heraufbeschwor. Ein Grinsen trat in das Gesicht des Mannes. Seine Zähne hatten die gleiche gelbe Farbe wie sein Hemd, seine Augen funkelten wie schwarze Murmeln.
    »Du bist doch wohl nicht zurückgeblieben, mein Sohn? Du kannst doch sprechen, oder nicht?«
    Travis brachte ein Nicken zustande. »Alles in Ordnung, wirklich. Es war nichts, nur ein Tier bei dem Schuppen.«
    Sein Instinkt riet ihm, hier sofort zu verschwinden. Der Mann verursachte Travis eine Gänsehaut, er und seine papierene Haut und das totenkopfähnliche Grinsen. Er mußte eine Art Landstreicher sein, mit dieser Kleidung, die nur aus einem Trödelladen stammen konnte. Und er hatte etwas Unheilvolles an sich. Nicht unbedingt gewalttätig, aber nichtsdestotrotz gefährlich.
    Travis schluckte mühsam. »Hören Sie, ich muß los. Ich habe … ich habe etwas zu erledigen.«
    Der Mann betrachtete ihn mit diesen dunklen Augen, dann nickte er ernst.
    »Das hast du, mein Sohn. Das hast du.«
    Travis erwiderte darauf nichts. Er ging an dem anderen vorbei, den Blick fest zu Boden gerichtet, und eilte so schnell er konnte über das Feld, ohne daß es aussah, als würde er flüchten. Zu seiner großen Erleichterung schaffte er es zu seinem Wagen. Er stieg ein, dann warf er einen letzten Blick über die Schulter. Der Mann in Schwarz hatte sich nicht bewegt. Er stand noch immer vor dem zerstörten Waisenhaus und hielt den Hut fest, während das Gras um ihn herum hin und her wogte. Er betrachtete den Horizont, als könnten diese dunklen, murmelähnlichen Augen etwas kommen sehen, das allen anderen verborgen blieb.
    Ein Frösteln durchfuhr Travis, er schlug die Tür zu und riß den Schlüssel im Zündschloß herum. Mit nach hinten wegspritzendem Schotter schoß der Pickup auf die Straße.
    Travis mußte lachen, als die profane Arbeit des Lenkens die seltsame Begegnung am Waisenhaus verblassen ließ. Jetzt, wo er darüber nachdachte, was geschehen war, kam es ihm gar nicht mehr so seltsam vor. Zwischen den Schuppen hatte sich irgendein Tier versteckt, und der Mann in Schwarz war bloß ein Landstreicher, merkwürdig, aber harmlos. Und was die Geräusche anging – das waren bloß der Wind und seine Vorstellungskraft gewesen. Entweder das, oder er verlor den Verstand, und daran war wirklich nichts Besonderes. Er summte beim Fahren das Lied aus dem Radio mit.
    Voraus kam ein spitzes Objekt in Sicht. Als Travis näher kam, erkannte er, daß es sich um ein großes Zirkuszelt handelte, das auf einem Feld am Straßenrand errichtet worden war. Das Segeltuchdach war an zahllosen Stellen geflickt, daneben parkte ein alter Schulbus mit einer fleckigen weißen Lackierung. Er verlangsamte das Tempo, als er an dem Zelt vorbeifuhr. Davor stand ein primitives Schild. Wie immer benötigte er einen Augenblick der Konzentration, um zu verhindern, daß die Worte verschwammen, dann hatte er es. Auf dem Schild stand:
    BRUDER CYS WANDERSHOW DER
APOKALYPSE UND ERLÖSUNG
Hier werden Gebrechen geheilt –
der Glaube wiederhergestellt –
Seelen gerettet
Tritt ein – wir wollen Dich erretten!
    Ein altmodischer Erlösungsprediger. Travis hatte gar nicht gewußt, daß es so etwas überhaupt noch gab. Er schaltete in den vierten Gang hoch, und das Zelt verschwand hinter ihm. Wenigstens wußte er jetzt, wo der seltsame Mann hergekommen war, und in zumindest einer Hinsicht hatte er recht gehabt. Der alte Kerl war verrückt, wenn auch nicht auf die Weise, wie er geglaubt hatte.
    Der zerbeulte Pickup fuhr die Straße entlang, und Travis wandte seine Aufmerksamkeit alltäglichen Dingen zu – wie viele Fässer Bier er für die Bar bestellen mußte, wen er anrufen mußte, um das Stinktier loszuwerden, das sich unter dem Saloon eingenistet hatte, wann er wohl die nötige Zeit fände, die undichte Stelle auf dem Dach des Lagerraumes zu flicken.
    Und dennoch – auf dem ganzen Weg zur Stadt gelang es Travis nicht, die in der Ferne spielenden Glöckchen ganz aus seinen Gedanken zu verbannen.

3
    Die Dämmerung senkte sich wie silbern funkelndes Schneegestöber vom Himmel, als Travis auf die Elk Street einbog und den Pickup vor dem Mine Shaft Saloon anhielt. Nur der Gipfel des Castle erhob sich hoch genug über das Tal, um von den letzten
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