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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung
Autoren: Stephan M. Rother
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hatten durchaus ihr Vergnügen an diesem Auftritt.
    Mit einem grinsenden Kopfschütteln beobachtete Amadeo seine Kollegen und sah, wie sich die Tür hinter Chiara schloss, ehe er sich wieder den Pergamenten zuwandte.
    »Ciao, Amadeo!« Taddeo Niccolosi kam schnaufend aus Richtung der Toiletten und steckte sich eben noch das Hemd in die Hose. »Sag nicht, ich hab sie schon wieder verpasst!«
    »Ich fürchte schon. Du wirst dich gedulden müssen, bis sie rauskommt.«
    Tröstend lächelte Amadeo dem Glatzkopf zu. Niccolosi zählte zu dem knappen Dutzend Restauratoren, welche die officina di Tomasi fest beschäftigte. Amadeo schätzte ihn. In den bald zwei Jahren, die er der Restauratorenwerkstatt inzwischen zuarbeitete, hatte er erkannt, dass in diesem kahlen Schädel ein echtes Forscherhirn wohnte. Mit seiner Neugier und Begeisterung machte Niccolosi so manches wett, was Amadeo ihm durch sein Studium voraus hatte. Doch dann gab es wieder Augenblicke...
    »Maledetto!«
    Übertrieben heftig hieb Niccolosi mit der Faust auf den Arbeitstisch. So heftig, dass Amadeos Tasse ins Kippeln kam. Der Restaurator keuchte. Er sah es kommen, fasste zu -
    Zu spät.
    Das Antonius-Manuskript aus der frühen Stauferzeit, an dessen schadhaftem Rücken Amadeo seit dem Morgen arbeitete, schwamm in lauwarmem caffè .
    Entsetzt starrten sie auf die Bescherung.
    »Maledetto« , wiederholte Niccolosi mit schwacher Stimme.
    Amadeo löste sich als Erster aus seiner Erstarrung. Wie immer hatte er bei der Arbeit seine Anzugjacke abgelegt. Sie war nicht billig gewesen, dennoch warf er sie ohne zu zögern auf den Arbeitstisch und begann zu tupfen. Der Antonius war ein Vermögen wert — wenn Niccolosi für den Schaden aufkommen sollte, war die Jacke das geringste Opfer.
    »Maledetto!« , fluchte er jetzt selbst. »Sieh dir das an!« Er zog die Jacke beiseite.
    Das Manuskript bot ein Bild des Elends. Taufrisch hatte das Pergament auch vorher nicht ausgesehen, doch kein Sammler der Welt war so blind, dass er solche Spuren übersah. »Porca miseria!«
    Eine Tür öffnete sich in seinem Rücken.
    »Was zur...«
    Giorgio di Tomasi verstummte. Amadeo holte tief Luft und drehte sich zum capo um. Das Gesicht des Inhabers der officina di Tomasi schien das Rot der italienischen Nationalflagge aufzugreifen, die durch die offene Tür in seinem Büro zu sehen war. Das schlohweiße Haar stand ihm zu Berge, dass es Einstein alle Ehre gemacht hätte. Der Grünton, der zur italienischen Trikolore noch fehlte, fand sich in Niccolosis Gesicht. Vergeblich versuchte sich der Glatzkopf hinter Amadeo zu verkriechen.
    »Sie!« Giorgio di Tomasis Blicke durchbohrten Niccolosi. Der Finger des capo streckte sich aus wie in einer satanischen Geste. »Sie!«
    Amadeo schob sich vor den Glatzkopf und hüstelte. »Ahm, ich fürchte, das... das war ich.«
    »Sie?« Di Tomasi zwinkerte und starrte ihn ungläubig an.
    »Ich« Amadeo hüstelte erneut, heftiger diesmal, und hielt sich die Hand vor den Mund. »Der viele Staub. Ich muss irgendwie ...«
    »Aha.« Der capo verriet mit keiner Miene, ob er ihm die Geschichte abkaufte. Sein böser Blick lag noch immer auf Niccolosi. Doch Amadeo spürte, dass sein Plan aufging.
    Der Unglücksrabe hatte Frau und Kind — und di Tomasi war ein impulsiver Mensch, der schon häufiger Mitarbeiter an die Luft gesetzt hatte. Amadeo konnte das nicht passieren, schließlich war er kein Angestellter des capo . Zudem wusste di Tomasi nur zu gut, was er an ihm hatte.
    »Na schön«, murmelte der Inhaber der officina . »Schwamm drüber.« Er kratzte sich hinter dem Ohrläppchen. »Ist wohl der erste Schritt. Wenn einer das wieder hinbekommt, dann wohl Sie, Signor Fanelli.«
    »Mein Kollege Niccolosi wird das unter meiner Anleitung tun«, sagte Amadeo und nickte dem Unglücklichen zu. Es war das Mindeste, was von Niccolosi zu erwarten war angesichts des Ärgers.
    »Natürlich«, stotterte der. »Das werde ich.«
    »Schön«, sagte di Tomasi noch einmal. »Dann räumen Sie diese Schweinerei erst mal auf. Signor Fanelli, ich bin jetzt mit meiner Tochter zu Tisch. Danach bitte in meinem Büro!«
    Er rauschte davon, mit einem Blick auf Niccolosi. Einem Blick, wie ihn Cicero seinerzeit Catilina zugeworfen haben musste.
    Chiara, mit einem feinen Lächeln, stolzierte hinterher.
    Die Männer in der officina blieben zurück und betrachteten das Bild der Verwüstung.
    »Puh«, murmelte Niccolosi. »Das war knapp.«
    »Ist ja noch mal gutgegangen«, lächelte
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