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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht
Autoren: Andrea Fazioli
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ein Treffen in einer Wohnung in Paradiso vorgeschlagen.
    Als er das Stadtzentrum erreichte, war es vier. Er bemerkte, dass die Busstation neu war. Eine moderne Angelegenheit, Plastik und geometrische Formen. Er studierte den Fahrplan, suchte eine Linie heraus, die gegen fünf nach Paradiso fahren würde. Dann vertrieb er sich die Wartezeit und schlenderte ein wenig durch die verkehrsfreie Innenstadt. Er versuchte sich zu beruhigen. Die Straßen waren nicht übermäßig belebt. Ein paar blonde Touristen, einige Pärchen mit einem Eis in der Hand. Flip-Flops. Bermudas. Sonnenbrille. Kleine Jungs auf Rollern. Verschwitzte Angestellte, Krawatten, die wie Hundeleinen wirkten.
    Später, als Salviati das Haus erreichte, das Forster angegeben hatte, war er noch immer ruhig, frei von Gedanken. Er hatte den passenden inneren Zustand gefunden, die Sinne angespannt, die Gefühle unter Kontrolle.
    Das Haus lag auf einem Hügel zum See hin. Salviati überquerte eine Fußgängerbrücke, die über einen mit Johanniskraut und Polyantha-Rosen bepflanzten Garten führte. Die Wohnungstür wurde sofort geöffnet. Salviati erkannte Eltons affenartiges Gesicht. Er begrüßte ihn herzlich. In einem anderen Leben hätten sie gemeinsam Hehlereigeschäfte abgewickelt.
    »Salviati, sehr erfreut, Sie wiederzusehen«, sagte Elton. »Ich sehe, Sie sind zu früh.«
    »Ja.«
    »Ich werde nachschauen, ob Signor Forster bereit ist …«
    »Sag ihm, er soll kommen!«, tönte Forsters Stimme von innen.
    Das Arbeitszimmer hatte drei vollkommen weiße Wände. Die vierte war eine Glasfront zum See. Die Sonne blendete in den Augen, sie wirkte beinahe unwirklich in der von der Klimaanlage eiskalten Wohnung.
    »Salviati«, sagte Forster. »Wir haben uns eine Weile nicht gesehen.«
    Er war eine stattliche Erscheinung, mit tiefschwarzem Haar und einem Schnauzbart, der ihm ein vornehmes Äußeres verlieh. Salviati hatte ihn schlanker in Erinnerung.
    »Du hast abgenommen«, stellte Forster fest, als sie sich die Hand gaben.
    Obwohl sie ungefähr das gleiche Alter hatten, wirkte Salviati mit seinen bereits leicht ergrauten Schläfen einige Jahre älter.
    »Was ist das für eine Geschichte mit meiner Tochter?«
    »Setz dich, damit wir darüber reden können.« Forster deutete ein verkniffenes Lächeln an. Seine Stimme war angenehm, ohne jeglichen Akzent.
    In dem Zimmer befanden sich lediglich ein Schreibtisch und zwei Stühle. Keine weiteren Gegenstände, kein Nippes. Auf dem Schreibtisch ein Packen weißes Papier, ein Bleistift, ein Füller.
    Salviati nahm Platz und wiederholte:
    »Was ist das für eine Geschichte mit meiner Tochter?«
    »Ich weiß, dass du dich aus dem Geschäft zurückgezogen hast …«, sagte Forster.
    Salviati sah ihn an.
    »Dir ist bekannt, dass deine Tochter Schulden bei mir hat, und zwar in Höhe von … Elton?«
    Elton war an der Tür stehen geblieben. Bevor er zu sprechen begann, trat er einen Schritt näher, um in Salviatis Blickfeld zu gelangen.
    »Zweihundertdreiundzwanzigtausend Franken, soweit ich weiß, ohne Zinsen.«
    »Reisen«, kommentierte Forster, »Glücksspiele, Hotels, Kasinos und …«
    »Forster«, sagte Salviati.
    Forster hob die Hand.
    »Ich komme zur Sache. Du brauchst nicht zu glauben, dass du sie einfach so zurückbekommst. Aber schließlich haben wir schon einige gemeinsame Geschäfte gemacht. Erinnerst du dich?«
    Salviati erwiderte nichts. Die Lider halbgeschlossen, sah er aus, als würde er gleich einschlafen. Aber Forster kannte ihn gut und fuhr eilig fort:
    »Ich habe einen Hinweis auf eine ganz lukrative Sache, aber mir fehlen die Mittel, das Ganze zu organisieren. Dir dagegen nicht. Du erledigst also für uns die Arbeit und wir streichen deiner Tochter die Schulden. Okay?«
    »Wo ist meine Tochter?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Was habt ihr mit ihr gemacht?«
    »Nichts. Sagen wir, sie ist mein Gast, solange bis wir unser Geschäft abgewickelt haben.«
    »Und wenn ich zur Polizei gehe?«
    Diesmal war es Forster, der keine Antwort gab. Nach einiger Zeit meinte Salviati: »Du bist ein Bastard.«
    »Ich weiß. Aber ich will das Geld.«
    »Welche Garantie habe ich?«
    »Wir sind Geschäftsleute. Ich will bloß das Geld.«
    »Und wenn Lina dich anzeigt, sobald sie frei ist?«
    »Wir wissen beide, dass sie das nicht tun wird.«
    »Du kannst nicht sicher sein, dass mir gelingt, was du von mir verlangst.«
    »Nein. Aber du kannst es probieren. Sieh mal, Salviati, ich will dich nicht übers Ohr hauen. Im
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