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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht
Autoren: Andrea Fazioli
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Kunden mitbringt. Dabei handelt es sich natürlich um die Sorte von Kunden, die eine Menge Bargeld in Umlauf bringen. Es gibt da einen Industriellen aus Norditalien …«
    »Einen Industriellen?«
    »Sagen wir, einen Geschäftsmann, was immer man unter ›Geschäft‹ verstehen mag. Um bei dem Berater seines Vertrauens zu bleiben, hat dieser Industrielle die Bank, bei der er zuvor war, verlassen und wird nun Wertpapiere und Geld an die Junker-Bank überführen.«
    Am Billardtisch, einem von denen, die noch mit Münzeinwurf funktionieren, war eine Partie im Gange. Einer der Spieler hatte ein durchdringendes Lachen, das alle Stimmen übertönte und hin und wieder zu ihnen an den Tisch drang.
    »Die Herkunft des Geldes ist ungewiss. Normalerweise kann es eine Bank so nicht einziehen. Aber Sie wissen ja, bei der Junker-Bank verlangen sie nicht immer genaue Kontrollen. Sie wollen sich schnell vergrößern und sind zu Risiken bereit. Außerdem, mein lieber Salviati, werden wir es sein, die den Ort der Überführung wählen!«
    Salviati hatte die ganze Zeit mit düsterer Miene auf seine Pfeife gestarrt. Doch bei diesen Worten hob er erstaunt den Blick.
    »Wir werden wählen? Was soll das heißen?«
    »Es wird eine ganze Reihe von Transfers geben, ein Kunde, bei dem es insgesamt um über hundert Millionen geht. Das meiste in bar, Euros oder Franken, die in verschiedene Junker-Filialen gebracht werden: jedes Mal eine Summe im Wert zwischen fünf und zehn Millionen Franken. Wir müssen nur den richtigen Ort aussuchen, uns das Geld schnappen und abhauen. Ganz einfach.«
    Schweigen. Salviati legte die Pfeife auf den Tisch.
    »Ganz einfach, was?«
    »Natürlich! Wir können alles vorbereiten, sodass …«
    »Genial, stimmt’s?«
    »Ja. Die Sache ist …«
    Matteo spürte, wie ihm die Worte im Mund erstarben. Die Stille wurde von einem Lachen übertönt, das vom Billardtisch herüberkam.
    »Hören Sie, Marelli. Ich bin gezwungen, Geduld zu üben, was nie meine Stärke war. Ich gehe auf die Erpressung ein, das wissen Sie. Aber die Entscheidungen fälle ich, ist das klar?«
    »Ich … ja natürlich. Ich wollte nur …«
    »Sie geben mir alle Informationen, die Sie haben. Ich werde die Sache unter die Lupe nehmen. Danach werd ich mich mit diesem Bastard von Forster in Verbindung setzen, und dann sehen wir weiter …«
    »Einverstanden. Aber …«
    »Aber jetzt, bevor ich irgendetwas unternehme, will ich mit meiner Tochter sprechen.«
    »Jetzt?«
    »Ganz richtig gehört.«
    »Das geht nicht! Ich weiß nicht, wo sie sie versteckt haben. Ich weiß gar nichts!«
    Salviati erhob sich langsam. Er stützte sich auf den Tisch und beugte sich zu Matteo vor.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich zehn Millionen Franken für Sie raube, ohne vorher mit meiner Tochter gesprochen zu haben?«
    »Natürlich nicht! Ich verspreche Ihnen, die Sache in die Hand zu nehmen! Morgen früh wird sie sich bei Ihnen melden. Haben Sie ein Natel?
    »Ein was?«
    »Ein Mobiltelefon, ein Handy.«
    »Ich hab mir eins gekauft.« Salviati wühlte erst in einer, dann in der anderen Tasche, tastete dann sein Hemd ab. »Wo ist denn …?«
    Schließlich fand er es im Tabakbeutel. Ein rot-weißes Modell.
    »Ich habe auch einen Vertrag mit der Nummer bekommen«, sagte Salviati. »Aber ich will keine Anrufe von einer Nummer empfangen, die nicht sauber ist.«
    »Auch ich verstehe was von meinem Handwerk, Herr Salviati.«
    Fast heimlich, wie zwei Schuljungen, tauschten sie ihre Telefonnummern aus und Matteo zahlte die Rechnung. Dann sagte er:
    »Ich gehe jetzt. Haben Sie zufällig die Absicht, mir zu folgen? Ich sage Ihnen gleich, dass es zwecklos ist. Ich habe dafür gesorgt …«
    »Gehen Sie zum Teufel und lassen Sie mich in Ruhe!«
    Salviati bestellte noch ein Bier und blieb im Dämmerlicht des Clayton sitzen, rings um ihn Stimmengewirr, kurze Billardstöße. Matteo stieß dagegen einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die Straße erreichte.
    Viganello besteht aus wenigen steilen Straßen, wenigen Straßenlaternen und einigen Eckkneipen. Die meisten Lokale hatten Tische auf den Gehweg gestellt. Matteo lief zügig. Hin und wieder sah er sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand ihm folgte.
    Würde Salviati Ruhe bewahren? Vor einem Schnellimbiss tat Matteo so, als binde er sich die Schuhe zu. Wenn es Salviati gelingt mir zu folgen, dachte er, geht alles in die Hose. Aber die Straße war leer. Matteo bog nach rechts ab und begab sich in den höher gelegenen Teil
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