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Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Autoren: Jeff Abbott
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zu knacken, um eine Nachricht zu finden, die ihr verriet, auf welchem Zimmer Jin Ming untergebracht war. Doch sie hatte es geschafft.
    Und wenn sie ihn fand, würde sie ihn umbringen.
    Jack Ming spielte das Schweigespiel: so lang wie möglich durchhalten, ohne ein Wort zu sprechen. Er hatte schon drei Wochen geschafft, drei Wochen eisernes Schweigen, und er fragte sich allmählich, ob seine Stimme noch funktionieren würde. Die Decke seines Krankenhausbettes umhüllte ihn wie ein Kokon. Die Schusswunde am Hals begann zu verheilen, und der riesige blaue Fleck an der Schläfe erinnerte an seinen Sturz gegen eine Maschine. Fast zwei Wochen hatte er im Koma gelegen. Die Ärzte, die Schwestern und die Ermittler der Polizei nannten ihn alle Jin Ming, was nicht sein richtiger Name war, doch er hatte nicht vor, sie auf den Irrtum hinzuweisen.
    Das Schweigen wurde zu einer spannenden Aufgabe für ihn – als ginge es darum, ein Computerprogramm mit möglichst wenigen Codezeilen zu schreiben oder mit möglichst geringem Aufwand eine Datenbank zu knacken. Wie lange hielt man das Schweigen durch? Seine Eltern hatten ihn oft dazu aufgefordert, wenn er sie mit seinen vielen Fragen löcherte: warum der Himmel blau sei, warum sie so oft stritten, warum sie ihm nicht dieses oder jenes Spielzeug kauften. Dann sahen sie ihn zornig an, sein Vater blickte von einem der Bücher auf, die er ständig las, seine Mutter von ihrem Schreibtisch, an dem sie Tag und Nacht zu verbringen schien. Sei still, Jack, sagten sie. Du störst mich. Spielen wir ein Spiel. Du musst versuchen, so lange wie möglich still zu sein. Doch es war nie ein richtiges Spiel, denn sie waren nie still. Zu einem richtigen Spiel gehörte der Wettkampf, man starrte einander in die Augen, bis einer es nicht mehr aushielt. Seine Eltern sagten das nur, damit er sie nicht störte.
    Er schwieg also.
    Als er erwacht war, hatte er geglaubt, tot zu sein. Eine Kugel hatte ihn seitlich am Hals getroffen: Hätte es die Halsschlagader erwischt, wäre er rettungslos verblutet. Doch die Arterie blieb heil. Er wurde in ein Amsterdamer Krankenhaus eingeliefert und bekam ein Zimmer für sich allein. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Gern hätte er um einen Computer gebeten, doch er wollte nicht sprechen. Sich mit Schweigen zu panzern hatte seltsamerweise etwas Befreiendes. Er brauchte nicht die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen. Nach all den Monaten hatte er es einfach satt, jemand sein zu müssen, der er nicht war.
    Nachts träumte er von dem roten Notizbuch. Nic hatte eines Abends zu viel getrunken und ihm interessante Dinge erzählt: » Diese Leute, für die wir arbeiten, würden uns umbringen, wenn sie wüssten, dass ich alle ihre Geheimnisse kenne. Das ist meine Lebensversicherung. Das rote Notizbuch.«
    » Wenn’s ein Geheimnis ist, warum erzählst du’s mir dann? Du bist betrunken.« Und dumm, fügte Jack in Gedanken hinzu.
    » Falls mir was passiert, sollen sie dafür büßen«, hatte Nic gelallt. » Das rote Notizbuch liegt in meiner Wohnung, gut versteckt. Du bist ein schlaues Bürschchen, du wirst es schon finden. Und dann sind die Neun Sonnen erledigt.«
    Neun Sonnen. Das klang ein bisschen nach den Schurken aus einem Zeichentrickfilm. Niemand will dich umbringen, Nic, hatte Jack gesagt. Jetzt übertreib mal nicht.
    Doch als die CIA -Agenten mit ihm in die alte Schlosserei eingedrungen waren, die diese Schmuggler der Neun Sonnen als Lager nutzten, hatte er Nic tot am Boden liegen sehen, bevor die Schießerei losging.
    Er konnte nicht wissen, ob er jetzt in Sicherheit war, deshalb musste er Nics rotes Notizbuch finden. Doch solange er im Krankenhaus lag, konnte er nichts unternehmen.
    Heute Vormittag hatten sie einen neuen Polizeiinspektor zu ihm geschickt, als würden sie ihn eher zum Reden bringen, wenn sie sich abwechselten. » Der Arzt sagt, Sie sollten eigentlich sprechen können«, meinte der Inspektor, ein gewisser van Biezen. Er setzte sich zu Jack Ming ans Bett und sah ihn an, und Jack erwiderte seinen Blick. Der Mann hatte ein Notizbuch im Schoß liegen, und Jack las, was darin stand: Jin Ming. Doktorand der Computerwissenschaften an der Universität Delft. Mit Schussverletzungen aufgefunden, in der Nähe mehrerer Krimineller, darunter der Hacker Nic ten Boom. Weigert sich zu sprechen, kein medizinischer Grund.
    Die Handschrift des Inspektors glich einer Computerschrift. Die Präzision machte ihm Angst. Dieser Mann war so wie sein Vater, er verstand es,
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