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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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Liste mit allem, was du an jenem Abend in dem Laden gekauft hast.«
    McLain steht langsam auf, stößt die Flasche Jack Daniel’s mit seinem rechten Turnschuh um und fängt sie mit dem linken wieder auf, während er gleichzeitig unter das Sofakissen greift und eine zerknitterte Speisekarte von der Sorte hervorzieht, wie sie überall im Eingangsbereich hängen – ein athletisches Kunststück, noch dazu stoned und betrunken ausgeführt, das Krekorian, einen am College ehemals sehr partyfreudigen Basketballspieler, schwer beeindruckt. Die Speisekarte stammt von Empire Szechuan auf der Delancey Street und am rechten Rand ist in kleinen akkuraten grünen Druckbuchstaben McLains 21 Artikel umfassende Einkaufsliste notiert.
    »Behalten Sie’s«, sagt McLain.
    »Erinnerst du dich an die Gesamtsumme?«
    »119,57 Dollar«, sagt McLain und schenkt sich seinen Pappbecher nach.
    »Hast ein gutes Gedächtnis«, sagt O’Hara.
    McLain erlaubt O’Hara, einen Blick in die kaum gefüllten Schränke und in die Kommode zu werfen. Aber auch dies ist nicht aufschlussreicher als die nackten Wände und Oberflächen. Das einzig Interessante, jedenfalls für Krekorian, ist ein Schuhkarton von Nike, den er unter dem Sofa hervorzieht. Als Krekorian ihn O’Hara im Badezimmer zeigt, hebt er theatralisch den Deckel und es kommen zwei Vibratoren, ein Dildo und anderer Krimskrams zum Vorschein.
    »Was ist schon dabei?«, sagt O’Hara. »Ein Mädchen braucht nun mal Spielzeug. Falls mir etwas zustoßen sollte, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du in meine Wohnung gehen und die Kiste unter meinem Bett entsorgen würdest.«
    O’Hara hat keine Ahnung, weshalb sie das gesagt hat. Sie hat gar keinen Dildo unter dem Bett und auch sonst nirgends, aber Krekorians anzügliches Pennälergrinsen, genau wie der Tonfall mancher dieser Zeitungsartikel, hat einen Schutzreflex bei ihr ausgelöst. Diese Artikel erscheinen jetzt besonders ungerecht, da es aussieht, als habe sich Pena nur deshalb noch länger in der Bar herumgedrückt, weil sie es nicht übers Herz brachte, zu ihrem treuen Schoßhündchen von Exfreund zurückzukehren. O’Hara reitet weiter darauf herum, auch als sie McLain bereits verlassen haben und die Treppenstufen heruntergehen. »Wie du mir die Kiste gezeigt hast, das war ein Klassiker. Als wärst du vierzehn.«
    »Das ist nicht fair, Dar. Ich habe mich nur gewundert, dass es einen Analstöpsel von Nike gibt. Was glaubst du, wen die dafür als Werbeträger verpflichten?«
    »Callahan«, sagt O’Hara. »Ich bin Sergeant Callahan vom NYPD, und ich möchte Ihnen heute von einem bemerkenswerten neuen Produkt erzählen, das mein Leben verändert hat.«
    Draußen leuchten jetzt die Laternen und der schmierige Matschregen ist in leichten Schnee übergegangen. Im gedämpften Licht haben die engen Straßen mit den Wohnhäusern und Synagogen vor hundert Jahren nicht viel anders ausgesehen. Eine große Gruppe NYU-Studenten kommt gerade vom Campus und schwärmt ins Viertel aus, um Bilder der verschollenen Kommilitonin zu verteilen. In ihren schlichten Parkas und Wanderstiefeln ähneln sie Missionaren.
    O’Hara und Krekorian gehen zurück durch den Rivington Park. Dieses Mal fällt O’Haras Augenmerk auf die geschmacklosen Skulpturen, die wie innerstädtische Vogelscheuchen aus dem Gestrüpp ragen. Als sie den Impala erreichen, sieht O’Hara, dass das Freemans an der Ecke zu dem Gässchen um einen Klamottenladen namens Freemans Sporting Club erweitert wurde. Das Schaufenster ist mit demselben nostalgischen Krempel ausstaffiert wie die Bar und in einer Ecke steht auf einem Schild: »Maßgeschneiderte Kleidung, Friseur und Marketenderei«.
    Was zum Teufel soll das, denkt O’Hara. Eine Wohnanlage namens Atelier. Und eine Marketenderei. O’Hara arbeitet seit fünf Jahren in diesem Revier, aber denkt man sich die Sozialwohnungen im direkten Umkreis weg, könnte sie sich genauso gut in einem fremden Land befinden.

9
     
    Drei Stunden später, kurz vor Mitternacht, beobachten O’Hara und Krekorian durch den rieselnden Schnee, wie sich Hunderte von NYU-Studenten und Angehörige des Lehrkörpers unter dem roten Backsteinvordach der Bobst Library versammeln. Während immer mehr Studenten aus allen Richtungen herbeiströmen, nehmen diejenigen, die vorne und der Glastür am nächsten stehen, eine angezündete Kerze von einem langen Tisch und ziehen einer nach dem anderen in den südlichsten Winkel des Washington Square. Die Kolonne bewegt sich leise an
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