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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie
Autoren: John Scalzi
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»Ich habe gerade gegessen.«
    Savitri griff nach unten, hob den Papierkorb hoch und stellte ihn auf den Schreibtisch. »Tun Sie mir den Gefallen und übergeben Sie sich vorher.«
    Ich war Savitri schon vor mehreren Jahren begegnet, während ich als offizieller Vertreter der Kolonialen Verteidigungsarmee eine Tour durch die Kolonien unternahm und Reden halten sollte. Als ich im Dorf Neu-Goa auf Huckleberry Station machte, stand Savitri auf und bezeichnete mich als Werkzeug des imperialistischen und totalitären Regimes der Kolonialen Union, worauf ich sie sofort ins Herz schloss. Als ich aus der KVA entlassen wurde, entschied ich, mich in Neu-Goa anzusiedeln. Man bot mir den Posten des Ombudsmans an, der die Interessen des Dorfes vertreten sollte. Ich nahm an und stellte am ersten Tag meiner Arbeit überrascht fest, dass Savitri in meinem Büro saß und mir sagte, dass sie meine Assistentin sein würde, ob es mir nun passte oder nicht.
    »Erinnern Sie mich noch einmal daran, warum Sie diesen Job übernommen haben«, sagte ich zu Savitri, die ich über den Papierkorb hinweg ansah.

    »Aus reiner Perversion. Wollen Sie sich nun erbrechen oder nicht?«
    »Ich glaube, ich möchte mein Mittagessen behalten.«
    Sie stellte den Papierkorb wieder an seinen angestammten Platz zurück und nahm ihr Buch auf, um weiterzulesen.
    Mir kam eine Idee. »Savitri«, sagte ich, »wollen Sie meinen Job haben?«
    »Klar doch«, sagte sie, während sie ihr Buch aufklappte. »Gleich nachdem Sie mit den Chengelpets fertig sind.«
    »Verbindlichsten Dank!«
    Savitri brummte nur. Sie hatte sich längst wieder in ihre literarischen Abenteuer vertieft.
    Ich wappnete mich und trat durch die Tür, die in mein Büro führte.
    Die Ziege, die mitten im Raum stand, war niedlich. Von den Chengelpets, die auf den Stühlen vor meinem Schreibtisch saßen, konnte man das nicht behaupten.
    »Aftab«, sagte ich und nickte dem älteren Bruder zu. »Nissim«, begrüßte ich den jüngeren. »Und eine gute Freundin«, sagte ich und nickte der Ziege zu. Dann nahm ich Platz. »Was kann ich an diesem schönen Tag für Sie tun?«
    »Sie können mir die Genehmigung ausstellen, meinen Bruder erschießen zu dürfen, Ombudsman Perry«, sagte Nissim.
    »Ich glaube, so etwas gehört nicht zu meinen offiziellen Befugnissen«, sagte ich. »Außerdem kommt es mir ein wenig drastisch vor. Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was los ist?«
    Nissim zeigte mit dem Finger auf seinen Bruder. »Dieser Mistkerl hat meinen Samen gestohlen.«
    »Wie bitte?«, fragte ich nach.

    »Meinen Samen«, wiederholte Nissim. »Fragen Sie ihn ruhig. Er kann es nicht abstreiten.«
    Ich blinzelte und wandte mich an Aftab. »Sie haben also den Samen Ihres Bruders gestohlen, Aftab?«
    »Sie müssen Verständnis für meinen Bruder haben«, sagte Aftab. »Er neigt manchmal zur Hysterie, wie Sie sicherlich wissen. Was er eigentlich sagen will, ist, dass eine seiner Ziegen von seiner Weide auf meine Weide spaziert ist und diese Zicke hier gedeckt hat. Und nun behauptet er, dass ich den Samen seines Ziegenbocks gestohlen habe.«
    »Es war nicht irgendein Ziegenbock«, sagte Nissim. »Hier geht es um Prabhat, der mir schon viele Auszeichnungen eingebracht hat. Ich bekomme gutes Geld, wenn ich ihn Zicken decken lasse, und Aftab wollte nicht so viel dafür bezahlen. Also hat er meinen Samen gestohlen.«
    »Es ist Prabhats Samen, du Idiot«, sagte Aftab. »Und es ist nicht meine Schuld, dass du nie deine Zäune reparierst, sodass dein Ziegenbock auf mein Land gelangen konnte.«
    »Das ist der Gipfel!«, sagte Nissim. »Ombudsman Perry, Sie müssen wissen, dass der Zaundraht durchgeschnitten wurde. Prabhat sollte auf diese Weise angelockt werden.«
    »Du täuschst dich«, sagte Aftab. »Und selbst wenn es wahr wäre, was es nicht ist, was wäre das Problem? Du hast deinen wertvollen Prabhat doch wiederbekommen.«
    »Aber jetzt hast du eine trächtige Zicke«, sagte Nissim. »Und dafür hast du weder bezahlt noch von mir die Erlaubnis bekommen. Das ist Diebstahl, ganz klar. Und nicht nur das – obendrein versuchst du, mich zu ruinieren.«
    »Wovon redest du da?«, fragte Aftab.
    »Du willst deinen eigenen Zuchtbock haben«, sagte Nissim in meine Richtung und zeigte auf die Zicke, die an der Lehne
von Aftabs Stuhls knabberte. »Streite es nicht ab. Das hier ist deine beste Zicke. Mit einem Wurf von Prabhat bekommst du einen Bock, den du selber zu Zuchtzwecken vermieten kannst. Du willst mit meinen
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