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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie
Autoren: John Scalzi
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Geschäften konkurrieren. Fragen Sie ihn, Ombudsman Perry. Fragen Sie ihn, was seine Zicke trägt.«
    Ich blickte wieder zu Aftab. »Was trägt Ihre Zicke, Aftab?«
    »Durch reinen Zufall ist einer der Embryos männlich«, sagte Aftab.
    »Ich will, dass er abgetrieben wird«, verlangte Nissim.
    »Sie ist nicht deine Zicke«, erwiderte Aftab.
    »Dann nehme ich das Kitz, wenn es geboren ist«, sagte Nissim. »Als Bezahlung für den Samen, den du mir gestohlen hast.«
    »Jetzt geht das schon wieder los!« Aftab blickte mich hilfesuchend an. »Verstehen Sie, womit ich es hier zu tun habe, Ombudsman Perry? Er lässt seinen Ziegenbock frei in der Gegend herumlaufen, sodass er nach Belieben Zicken decken kann, und dann verlangt er Geld für seine nachlässige Viehwirtschaft.«
    Nissim brüllte wütend und schrie seinen Bruder wild gestikulierend an. Aftab tat es ihm gleich. Die Zicke kam um den Schreibtisch herum und beäugte mich neugierig. Ich öffnete eine Schublade und holte etwas Süßes heraus, das ich an das Tier verfütterte. »Wir beide müssen bei dieser Sache eigentlich gar nicht dabei sein«, sagte ich zur Zicke. Sie antwortete nicht, aber ich hatte das deutliche Gefühl, dass sie mir zustimmte.
    Nach der ursprünglichen Planung war die Aufgabe des Ombudsmans des Dorfes recht einfach: Immer wenn die Bewohner von Neu-Goa ein Problem mit der politischen Verwaltung hatten, sollten sie zu mir kommen, damit ich ihnen beim Papierkram half und für die Lösung des Problems sorgte. Im Grund
war es genau die Art von Job, mit der man einen Kriegsveteranen betraute, der andernfalls ohne Nutzen im täglichen Leben einer vorwiegend ländlich geprägten kolonialen Gemeinschaft war. Doch auf die höheren Beamten konnte er immer noch genug Eindruck machen, sodass sie ihm Aufmerksamkeit schenken mussten, wenn er in ihrem Büro aufkreuzte.
    Die Sache war nur die, dass die Leute von Neu-Goa nach ein paar Monaten auch mit ganz anderen Problemen zu mir kamen. »Ach, wir wollen uns nicht mit irgendwelchen Beamten herumärgern«, teilte mir einer der Dorfbewohner mit, nachdem ich ihn befragt hatte, warum ich auf einmal der Typ war, zu dem man wegen allem ging, ob es sich nun um Gebrauchsanweisungen für landwirtschaftliche Geräte oder akute Eheberatungen handelte. »Es ist einfacher und schneller, zu Ihnen zu gehen.« Rohit Kulkarni, der Bürgermeister von Neu-Goa, war über diese Entwicklung hocherfreut, weil ich mich nun um Probleme kümmerte, mit denen man zuvor ihn belästigt hatte. Nun konnte er viel häufiger Angeln gehen oder in der Teestube Domino spielen.
    Die meiste Zeit war diese neue, erweiterte Definition meines Arbeitsbereiches als Ombudsman völlig in Ordnung. Es war schön, Menschen zu helfen, und genauso schön war es, wenn die Menschen auf meinen Rat hörten. Andererseits wird vermutlich jeder Angestellte im öffentlichen Dienst bestätigen können, dass es immer ein paar wenige lästige Personen gibt, die den weitaus größten Teil ihrer Zeit beanspruchen. In Neu-Goa waren diese Rollen mit den Chengelpet-Brüdern besetzt.
    Niemand wusste, warum sie sich gegenseitig so sehr hassten. Anfangs dachte ich, es hätte vielleicht etwas mit ihren Eltern zu tun, aber Bhajan und Niral waren reizende Menschen, die genauso vor einem Rätsel standen wie jeder andere. Manche
Leute kommen einfach mit manchen anderen Leuten nicht zurecht, und in diesem Fall handelte es sich bedauernswerterweise um Brüder.
    Es wäre gar nicht so schlimm gewesen, wenn sie ihre Farmen nicht genau nebeneinander aufgebaut hätten und sich ständig privat und geschäftlich ins Gehege gekommen wären. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt meiner Amtsperiode hatte ich Aftab vorgeschlagen – den ich als den etwas Vernünftigeren der beiden Chengelpets betrachtete -, auf ein neues Stück Land umzuziehen, das gerade auf der anderen Seite des Dorfes erschlossen worden war, weil sich die meisten seiner Probleme mit Nissim lösen würden, wenn er nicht mehr in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Bruders lebte. »Oh, das könnte ihm so passen«, hatte Aftab in völlig vernünftigem Tonfall gesagt. Danach hatte ich jede Hoffnung aufgegeben, einen rationalen Diskurs in dieser Angelegenheit anregen zu können, und mein karmisches Schicksal angenommen, dass ich weiter unter den gelegentlichen Besuchen der empörten Chengelpet-Brüder würde leiden müssen.
    »Also gut«, unterbrach ich die wütenden Tiraden der Brüder. »Mein Urteil lautet folgendermaßen. Ich
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