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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation
Autoren: Arthur C. Clarke
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man nicht eines der Silberschiffe am Zenit glänzen sah, nahm man sie nach einer kleinen Weile als ebenso selbstverständlich hin wie die Sonne, Mond oder Wolken. Die meisten Menschen waren sich wahrscheinlich nur dunkel bewußt, daß das ständige Steigen ihres Lebensstandards den Overlords zu verdanken war. Wenn sie einmal darüber nachdachten, was selten geschah, erkannten sie, daß diese schweigenden Schiffe – zum erstenmal in der Geschichte – der ganzen Welt Frieden gebracht hatten, und sie waren gebührend dankbar dafür.
    Aber dies waren unauffällige Wohltaten, die hingenommen und bald vergessen wurden. Die Overlords blieben in der Ferne und verbargen ihre Gesichter vor der Menschheit. Karellen konnte Achtung und Bewunderung befehlen; aber er konnte nichts Tieferes erzielen, solange er seine jetzige Politik verfolgte. Es war schwer, keinen Groll gegen diese Olympier zu empfinden, die nur über die Radiofernschreiber im Hauptquartier der Vereinten Nationen zu den Menschen sprachen. Was zwischen Karellen und Stormgren vorging, wurde nie öffentlich bekanntgegeben, und bisweilen fragte sich Stormgren, warum der Oberkontrolleur diese Unterhaltungen notwendig fand. Vielleicht wollte er wenigstens zu einem menschlichen Wesen eine unmittelbare Beziehung haben; vielleicht erkannte er, daß Stormgren diese Form der persönlichen Unterstützung brauchte. Wenn dies die Erklärung war, so wußte der Generalsekretär sie zu schätzen. Es war ihm einerlei, ob die Freiheitsliga ihn verächtlich als „Karallens Laufjungen“ bezeichnete.
    Die Overlords hatten nie mit einzelnen Staaten und Regierungen verhandelt. Sie hatten die Organisation der Vereinten Nationen so hingenommen, wie sie sie vorgefunden hatten; sie hatten Anweisung gegeben, die nötigen Radioausrüstungen zu beschaffen und hatten ihre Befehle durch den Generalsekretär aussprechen lassen. Der sowjetische Delegierte hatte in langen Ausführungen und bei unzähligen Gelegenheiten mit Recht darauf hingewiesen, daß dies nicht in Übereinstimmung mit der Charta sei. Karellen schien das nicht zu kümmern.
    Es war erstaunlich, daß so viele Mißbräuche, Torheiten und Übel durch diese Botschaften vom Himmel beseitigt werden konnten. Als die Overlords gekommen waren, wußten die Nationen, daß sie einander nicht mehr zu furchten brauchten, und sie ahnten, noch ehe der Versuch unternommen wurde, daß die vorhandenen Waffen nutzlos sein würden gegen eine Zivilisation, die Brücken zwischen den Sternen bauen konnte. Damit war mit einem Schlage das größte Hindernis für das Glück der Menschheit beseitigt worden.
    Die Overlords schienen den verschiedenen Regierungsformen gleichgültig gegenüberzustehen, vorausgesetzt, daß die Regierungen nicht Zwang ausübten oder korrupt waren. Auf der Erde gab es noch immer Demokratien, Monarchien, wohlwollende Diktaturen, Kommunismus und Kapitalismus. Dies war eine Quelle großer Überraschungen für viele einfache Gemüter, die überzeugt waren, daß ihre Lebensform die einzig mögliche sei. Andere glaubten, daß Karellen nur darauf warte, ein System einzuführen, das alle vorhandenen Gesellschaftsformen hinwegfegen würde; daher hatten sie sich nicht mit kleineren politischen Reformen abgegeben. Aber dies waren, wie alle andern Theorien über die Overlords, bloße Vermutungen. Niemand kannte ihre Motive, und niemand wußte, welcher Zukunft sie die Menschheit entgegenführen wollten.
     
     
    2
     
    Stormgren schlief schlecht in dieser Nacht, was sonderbar war, da er bald die Bürde des Amtes für immer ablegen würde. Er hatte der Menschheit vierzig Jahre und den Overlords fünf Jahre lang gedient, und wenige Männer konnten auf ein Leben zurückblicken, das ihnen die Erfüllung so vieler Wünsche beschert hatte. Vielleicht erfüllte ihn das mit Besorgnis, daß er in den Ruhejahren, die vor ihm lagen, keine Ziele mehr haben würde, die seinem Leben einen Reiz gäben. Nachdem seine Frau gestorben war und die Kinder selbst eine Familie gegründet hatten, schienen sich seine Bindungen an die Welt gelockert zu haben. Es mochte auch sein, daß er sich allmählich mit den Overlords identifizierte und sich auf diese Weise von der Menschheit zu lösen begann.
    Dies war wieder eine jener ruhelosen Nächte, in denen seine Gedanken wie eine Maschine zu kreisen begannen, deren Regulator versagt. Statt noch länger um Schlaf zu kämpfen, erhob er sich widerstrebend vorn Bett. Er zog seinen Schlafrock an und begab sich auf den
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