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Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Titel: Die letzte Fahrt des Tramp Steamer
Autoren: Álvaro Mutis
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wie sich später herausstellen sollte. Das Haus des Jachtbesitzers sah recht baufällig und doch gemütlich aus, wie es an den Küsten unserer Länder auf Schritt und Tritt zu finden ist. Das heterogene Mobiliar war offensichtlich aus Restbeständen von Häusern der Familie in San José zusammengetragen worden. Der Eisschrank war vollgestopft mit Bier, mehreren Dosen Kaviar und diesen unvermeidlichen, in ein Bananenblatt gewickelten Maispasteten, die sich Tamales nennen und eine ebenso unerschöpfliche wie ungenießbare Vielfalt von Maispasten umschließen und im Innern weiß Gott was für einen gefährlichen Zusatz bergen, der von Gürteltierfleisch bis zu wildem Puter reichen kann. Wir trugen alles zur Jacht, die so imposant war, dass sie den Patios des Hauses die Sonne nahm. Auf ein Zeichen des Besitzers stiegen wir das Leiterchen hoch, von dem uns ein riesenhafter, lächelnder Schwarzer, dessen knappe Bemerkungen auf eine hellwache Intelligenz und einen unerschütterlichen Humor hindeuteten, an Deck hinunterhalf. Unter dem Kommando des Besitzers, der sich von dem Schwarzen beraten ließ, wurden die Motoren angeworfen. Plötzlich lenkten die Rufe einer Frau – »Ich komm ja schon! Ich komm ja schon! Wartet doch auf mich, zum Teufel!« – unsere Blicke zum Haus zurück. Von dort rannte eine Frau in einem der knappsten Bikinis, an die ich mich erinnern kann, auf uns zu. Groß gewachsen, die Schultern leicht ausladend und lange, bewegliche Beine mit kräftigen Schenkeln. Das Gesicht war von dieser konventionellen, aber untadeligen Schönheit, die dank einem gut aufgetragenen Make-up und regelmäßigen Zügen zustande kommt, welche keine besondere Anmut brauchen. Je näher sie dem Boot kam, desto offenkundiger wurde die Vollkommenheit dieses fast aggressiv jugendlichen Körpers. Ihr lief ein sechs- oder siebenjähriger Junge hinterher. Mit gazellenhafter Elastizität sprangen sie auf die Jacht. Lächelnd, aber außer Atem grüßte sie und hieß ihren Sohn dasselbe tun. »Wenn ihr mich hier lasst, verhungert ihr, ihr Dummköpfe. Nur ich weiß, wo das Essen ist und in welcher Reihenfolge es aufgetragen wird.« Sie lachte vergnügt, während ihr Mann mit leichtem Stirnrunzeln so tat, als beschäftige er sich mit dem Armaturenbrett. Leise gab er dem Steuermann einen Befehl und ging dann ohne irgendeine Bemerkung aufs Vorderdeck. Dort setzte er sich steuerbords auf die Reling und begann mit einer Fünfundvierziger auf die Pelikane zu schießen, die über uns kreisten. Im Rhythmus der Schüsse, von denen keiner sein Ziel traf und die nur unsere Ohren betäubten und das Gespräch erschwerten, verschärfte sich die Spannung des Paars mit recht lästiger Deutlichkeit. »Macht euch keine Sorgen«, sagte sie und lächelte noch immer. »Wenn ihm die Munition ausgeht, wird er uns in Frieden lassen. Was möchtet ihr? Ein Bierchen gegen die Hitze oder lieber ein Schnäpschen?« Diese Diminutive im Mund der Costa-Ricanerinnen haben mich schon immer beunruhigt und in einen Zustand nachtwandlerischer Wachsamkeit versetzt, der eher zu einem völlig verwirrten Halbwüchsigen passt. Wir entschlossen uns, ihr bei der Zubereitung einiger Gin Tonics zu helfen. Sie ging von einem zum andern, um jedem sein Glas zu geben, und es war, als träte die ›golden dräuende Aphrodite‹ die Borges beschwört, auf uns zu, um uns zu segnen. Obwohl sich diese Schönheit in Reichweite unserer Sinne mit verächtlicher Natürlichkeit unter uns bewegte, fand das Gespräch endlich einen ungezwungenen, flüssigen Verlauf. Die Mutter schenkte dem Jungen, dem übel wurde, eine Aufmerksamkeit, die mir etwas übertrieben erschien. Es war, als versuchte sie damit die Schuld auszugleichen, die in der offensichtlichen Ehekrise ihr zukommen mochte. Als wir die Öffnung der Bucht erreichten, legten wir an einer kleinen Insel an, und dort wurde das Mittagessen serviert: eine denkwürdige Languste zu einem etwas weniger wunderbaren Rheinwein aus Napa Valley.
    Immer wenn wir ungestört waren, erzählte mir Marco, die Ehe stehe kurz vor ihrer Auflösung. Der Jachtbesitzer, Erbanwärter eines riesigen Vermögens, arbeite den ganzen Tag als Sklave unter seinem Vater, einem unerbittlichen Asturier. Abends führe er sein Junggesellenleben weiter, als hätte er nie geheiratet. Seine Frau habe ihn mehrmals dabei ertappt, wie er mit dem Auto voller Nutten durch die Hauptstraße von San José fuhr, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit von ihren Eltern nach Hause zurückkehrte.
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