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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman
Autoren: Sean Thomas Russell
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anderen, größeren Kriegsschiffen der Flotte. Der Midshipman befahl dem Bootssteuerer, das Beiboot längsseits zu bringen. Doch Hayden konnte nicht gleich an Bord. Der Seesoldat oben an der Reling bat um Geduld, da erst noch der wachhabende Offizier benachrichtigt werden musste. Es dauerte nicht lange, da kam die Erlaubnis, dass Hayden an Bord kommen dürfe, und während er die Jakobsleiter hinaufkletterte, erinnerte er sich an den Tag, als er zum ersten Mal die Seite dieses Schiffes erklommen hatte. Damals war die Themis in einem erbärmlichen Zustand gewesen, die Besatzung hatte zu viel getrunken, und die Offiziere waren nicht mehr Herr der Lage gewesen. Herbeigeführt hatte diesen Zustand letzten Endes der despotische Kapitän Hart. All dies schien eine Ewigkeit her zu sein – nicht bloß Wochen. An diesem Tag jedoch vernahm Hayden keine Laute ausgelassener Schwelgerei an Bord, sondern lediglich die leisen Hammerschläge des Zimmermanns unter Deck, die hellen Töne der Schiffsglocke und Rufe wie »alles in Ordnung«. Letzterem wollte Hayden im Stillen nicht zustimmen. Als er über die Reling stieg, sah er gleich ein bekanntes Gesicht.
    »Mr Archer«, grüßte Hayden den Leutnant und war froh, wenigstens einen Mann an Bord zu kennen. Nachdem Hayden das Schiff vor Wochen verlassen hatte, waren sämtliche Offiziere und Deckoffiziere an Land geschickt worden, gewiss auf Drängen des neuen Kommandanten, der keine Leute an Bord haben wollte, die in irgendeiner Weise etwas mit der Meuterei zu tun hatten. »Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen.«
    »Ich bin nicht minder überrascht, Mr Hayden. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie je wieder einen Fuß auf dieses Schiff setzen würden. Wir erwarten eigentlich unseren neuen Kapitän, aber wie es scheint, hegt er eine Abneigung gegen unsere Gesellschaft.«
    »Hm«, machte Hayden. »Gehen wir unter Deck, raus aus dem Regen. Geht es Ihnen gut, Mr Archer?«
    »Ja, recht gut, danke, Sir.« Archer lächelte. Der junge Mann wirkte oft ein wenig verschlafen, ganz so, als habe er gerade erst seine Koje verlassen, und diesen Eindruck gewann Hayden auch an diesem Tag. Im Gehen versuchte Archer, seine Weste zu richten, die allerdings falsch zugeknöpft war und somit schief saß.
    »Haben Sie denn inzwischen genügend Leute?«, fragte Hayden, um die peinliche Stille zu durchbrechen. Er tat, als würde er nicht zu sehen, wie umständlich Archer an seinem Uniformrock herumfingerte.
    »Beinahe, Sir. Wir warten noch auf die Presskommandos, die uns neue Leute bringen sollen, aber ich glaube, die haben uns vergessen.«
    Nach der Meuterei hatte die Themis gerade noch eine Rumpfmannschaft von knapp achtzig Seeleuten gehabt – für eine komplette Crew fehlten hundertzwanzig Mann.
    Als sie den Niedergang erreichten, rief Archer einem Mann unter Deck zu: »Schauen Sie, wer uns besucht, Mr Barthe. Ein frisch ernannter Master and Commander.« Zu Hayden gewandt sprach er: »Ich habe ganz vergessen, Ihnen noch zu Ihrer Beförderung zu gratulieren, Sir.«
    Am Fuße des Niedergangs schüttelte Hayden dem korpulenten Master die Hand. Mr Barthe atmete schwer und hatte gerötete Wangen, als sei er Treppenstufen hinaufgerannt. »Ich dachte, da kommt unser neuer Kapitän«, lachte Barthe und schien sich wirklich zu freuen, Hayden wiederzusehen, »und bin extra gerannt, um nicht zu nachlässig zu erscheinen. Kommen Sie in die Offiziersmesse, Mr Hayden. Dort ist es wärmer.« Barthe trat einen Schritt beiseite, um Hayden den Vortritt zu lassen. »Sie kommen nicht mit uns, Mr Archer?«
    »Ich muss noch die Windrichtung bestimmen, Mr Barthe.«
    »Er muss erst seine Weste richtig zuknöpfen«, flüsterte Hayden dem Master zu, der mit einem wissenden Grinsen antwortete.
    Barthe unterdrückte sein Lachen und räusperte sich dann. »Es heißt, Sie haben jetzt ein eigenes Schiff, Mr Hayden. Die Kent . Stimmt das?«
    »Vor einer Stunde war das meine Bestimmung, Mr Barthe, aber der Hafenadmiral hatte andere Vorstellungen.«
    Schritte auf der Treppe verrieten, dass Archer ihnen nun nacheilte.
    »Sie sprechen von diesem sturen Cotton?«, erkundigte sich Barthe und trottete hinter Hayden her.
    »Sie sind ihm also schon einmal begegnet?«
    »Gott bewahre, nein. Aber ich weiß, was für einen Ruf er hat.«
    Als Hayden die Tür zur Offiziersmesse öffnete, sah er Dr. Griffiths am Tisch sitzen. Der Schiffsarzt beugte sich über ein Buch. Nun nahm Griffiths seine Brille ab, und ein Lächeln erhellte sein schmales Gesicht. Zu
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