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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage
Autoren: Keren David
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er dürfte zumindest wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis wandern, so oder so. Es hängt noch davon ab, ob die beiden anderen am gleichen Strang ziehen wie er. Er kann nur darauf hoffen, dass die Geschworenen ihm glauben, dass Rio ihn angegriffen hat, und das hängt wiederum davon ab, was die Geschworenen von deiner Aussage halten und ob es irgendwelche Anhaltspunkte gibt, die deine Version bekräftigen.«
    Ich habe mich immer am meisten davor gefürchtet, dass Arron einmal nicht mehr mein Freund sein würde. Ich habe mich über blöde Sachen geärgert, wenn ich in der Schule beschimpft oder in die falsche Mannschaft gewählt wurde, und immer habe ich mir Sorgen gemacht, was wäre, wenn mein bester Freund mich nicht mehr mag.
    Ich hätte nicht im Traum gedacht, dass wir einmal Feinde sein würden. Jetzt hasst er mich bestimmt, weil ich vor Gericht versucht habe, seine Version der Geschichte kaputt zu machen.
    Aber warum hat Arron seine Geschichte abgeändert? Warum hat er der Polizei nicht erzählt, dass ich ihn verletzt habe? Er hätte einen Teil der ganzen Sache auf mich abwälzen können, die Geschworenen verwirren und mich ebenfalls als potenziellen Mörder hinstellen können.
    Mir fällt kein Grund dafür ein. Es sei denn, Arron ist immer noch mein Freund.

Kapitel 43
Bruder
    Patrick erzählt mir von seinem Haus in Frankreich, von dem kleinen Dorf, in dem es eine pâtisserie und eine boucherie und eine école primaire und eine église gibt. Es ist so beruhigend wie ein Vokabeltest in der Schule – die waren für mich immer Heimspiele –, und ich merke, wie sich mein hämmernder Herzschlag beruhigt und der ekelhafte Würgereiz verschwindet.
    Als ich einschlafe, träume ich davon, wie ich französisches Brot und französischen Käse esse und durch die Hauptstraße eines französischen Dorfes spaziere und mich wieder völlig frei und sicher und normal fühle.
    Ich bin ziemlich erschrocken, als er mich weckt und sagt: »Wir sind da, Ty. Wach auf«, und mir wieder einfällt, dass mein Zuhause ein Hochhaus in Birmingham ist, kein Landhaus in der Provence.
    Im Fahrstuhl nach oben fange ich an zu zittern, und jetzt freue ich mich echt darauf, dass Gran mir was zu essen und eine Tasse Tee macht. Aber als wir vor unserer Wohnungstür stehen, ist alles still und dunkel. Wir klingeln, aber niemand macht auf.
    Ich hämmere gegen die Tür. »Wo sind sie denn? Was isthier los?« Dabei versuche ich nicht daran zu denken, was ich ohnehin schon denke. Aber warum sollte sie jetzt noch jemand überfallen, wo es ohnehin zu spät ist … jetzt, wo ich meine Aussage schon gemacht habe?
    Es sei denn, sie machen sich nicht mehr um diese Verhandlung Sorgen, sondern um die nächste. Jukes’ Verhandlung. Herrgott noch mal! Wo sind sie bloß?
    »Beruhige dich«, sagt Patrick. »Dafür gibt es garantiert eine Erklärung. Wo hast du deinen Schlüssel? Und dein Handy?«
    Aber ich habe meinen Schlüssel nicht. Er ist in meinen Jeans auf dem Boden in meinem Zimmer. Und mein Handy hab ich vergessen aufzuladen. Ich klopfe weiter an die Tür, rufe ihre Namen und denke an alles, was mir die Leute erzählt haben – dass die Whites und ihre Kumpels jetzt alle im Gefängnis sitzen, dass eigentlich keine Gefahr der Zeugeneinschüchterung mehr besteht, dass es auch gar keinen Zweifel gebe, weil die Polizei so schnell am Tatort gewesen ist und Jukes mit dem Messer in der Hand gesehen hat – und ich weiß, dass sie lügen, sie lügen alle, oh Gott, sie lügen …
    Dann kommt die alte Frau von nebenan raus und sagt: »Kannst du vielleicht mal mit dem Krach aufhören, ja? Hier ist niemand mehr, sie sind alle vor drei Stunden mit dem Krankenwagen weg.«
    Also stimmt es. Ich hatte recht. Ich glaube, ich werde gleich ohnmächtig.
    »Aber … haben sie noch gelebt?«, frage ich, und sie sieht mich mitleidig an und antwortet: »Soweit ich weiß, ja.«
    »Sind sie überfallen worden? Waren sie verletzt? War die Polizei hier?« Ich stoße die Worte kurz und abgehackt hervor. Die Frau sieht ein bisschen verwirrt aus und sagt: »Ich nehme an, sie haben sie auf die Entbindungsstation gebracht, oder?«
    »Aha«, sagt Patrick. »Komm schon, Ty«, und schon laufen wir zum Lift, während ich mich daran zu erinnern versuche, in welchem Krankenhaus meine Mum ihr Baby zur Welt bringen wollte. Aber in meinem Kopf herrscht vollkommene Leere. Schließlich drückt Patrick ein paar Tasten an seinem Satelliten-Navi und zeigt mir eine Liste von Krankenhäusern. Ich
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