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Die Lerche fliegt im Morgengrauen

Titel: Die Lerche fliegt im Morgengrauen
Autoren: Jack Higgins
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zerschlis­ sen waren, und sein Hemd hatte keinen Kragen. Er legte die Illustrierte, in der er las, beiseite und erhob sich von seinem Hocker.
    »Monsieur?«
    Dillon knöpfte seinen Matrosenmantel auf und legte seine Mütze auf die Bar. Er war ein kleinwüchsiger Mann, nicht viel größer als einsfünfundsechzig, mit blondem Haar und Augen, die für den Barkeeper überhaupt keine spezielle Farbe zu haben schienen, außer daß es die kältesten Augen waren, in die der alte Mann jemals geblickt hatte. Er schüttelte sich fröstelnd, von einer unerklärlichen Furcht ergriffen, und Dillon lächelte. Die Veränderung war erstaunlich, plötzlich war in dem Gesicht nichts als Wärme und ein überwältigender Charme. Als er den Mund aufmachte, sprach er perfektes Französisch. »Meinen Sie, es gibt in diesem Haus noch eine halbe Flasche Champag­ ner?«
    Der alte Mann schaute ihn verblüfft an. »Champagner? Sie machen wohl einen Scherz, Monsieur. Ich kann Ihnen nur zwei verschiedene Weine anbieten. Einen roten und einen weißen.«
    Er stellte von jedem eine Flasche auf die Bar. Die Qualität war so armselig, daß die Flaschen Schraubverschlüsse anstatt Korken hatten.
    »Na schön«, sagte Dillon. »Ich nehme den Weißen. Geben Sie mir ein Glas.«
    Er setzte wieder seine Mütze auf, ging durch das Lokal und nahm an einem Tisch vor der Wand Platz, von wo aus er den Eingang von der Straße wie auch den Perlenvorhang beobach­ ten konnte. Er öffnete die Flasche, schüttete etwas Wein ins Glas und kostete.
    Er sagte zu dem Barkeeper: »Und was für ein Jahrgang ist das? Von letzter Woche?«
    »Monsieur?« Der alte Mann sah ihn verwirrt an.
    »Schon gut.« Dillon zündete sich eine weitere Zigarette an, lehnte sich zurück und wartete.

    Der Mann, der dem Vorhang am nächsten stand und hindurch­ spähte, war Mitte Fünfzig, mittelgroß und hatte einen leicht angekränkelten Gesichtsausdruck. Der Pelzkragen seines dunklen Mantels war zum Schutz vor der Kälte hochgeschla­ gen. Bis hin zu der goldenen Rolex an seinem linken Handge­ lenk sah er aus wie ein wohlhabender Geschäftsmann. In gewisser Weise war er das auch, als leitender Handelsattache an der sowjetischen Botschaft in Paris. Er war außerdem Oberst des KGB und hieß Josef Makeev.
    Der jüngere dunkelhaarige Mann im teuren Lamahaarmantel neben ihm, der über seine Schulter lugte, hieß Michael Aroun. Er flüsterte auf französisch: »Das ist doch lächerlich. Er kann gar nicht unser Mann sein. Er sieht nach gar nichts aus.«
    »Ein großer Irrtum, dem schon viele unterlegen sind, Micha­
    el«, sagte Makeev. »Warten Sie ab, und passen Sie auf.«
    Die Glocke klingelte, als die Außentür aufschwang. Regen wurde hereingeweht, und die beiden Männer, die im Hausein­ gang gewartet hatten, während Dillon den Platz überquerte, traten ein. Einer von ihnen war über einsachtzig groß, bärtig, und eine häßliche Narbe verlief bis dicht zu seinem rechten Auge. Der andere war viel kleiner, und sie trugen beide Matro­ senmäntel und Blue-jeans. Sie sahen genau nach dem aus, was sie mitbrachten, nämlich nach Ärger.
    Sie stellten sich an die Bar, und der alte Mann verzog das Gesicht. »Keine Bange«, meinte der Jüngere. »Wir wollen nur etwas zu trinken.«
    Der große Mann wandte sich um und sah auf Dillon. »Ich glaube, da haben wir schon, was wir wollen.« Er ging zum Tisch, griff nach Dillons Glas und trank daraus. »Unser Freund
    hat nichts dagegen, oder?«
    Ohne von seinem Stuhl aufzustehen, hob Dillon den linken Fuß und trat gegen die Kniescheibe des Bärtigen. Der Mann sackte mit einem erstickten Schrei nach unten, hielt sich am Tisch fest, und Dillon sprang auf. Der Bärtige versuchte sich hochzuziehen und sank auf einen der Stühle. Sein Freund nahm eine Hand aus der Tasche, ließ die Klinge eines Jagdmessers aufspringen, und Dillons linke Hand kam mit der Walther PPK zum Vorschein.
    »Auf die Theke. Mein Gott, Leute, ihr lernt es nie, oder? Sieh zu, daß du dieses Stück Scheiße auf die Füße bekommst und damit verschwindest, solange ich noch halbwegs bei Laune bin. Ihr solltet übrigens ins nächste Krankenhaus fahren. Ich dürfte ihm die Kniescheibe gebrochen haben.«
    Der kleinere Mann ging zu seinem Freund und mühte sich ab, ihn vom Stuhl hochzuziehen. Sie blieben für einen Moment stehen, und das Gesicht des Bärtigen verzerrte sich vor Qual. Dillon öffnete die Tür. Draußen rauschte der Regen unbarm­ herzig vom Himmel herab.
    Während sie an ihm
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