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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China
Autoren: Jules Verne
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schneller zu verbreiten; wie von jenen befangenen Mandarinen, welche, um die Anheftung des unterseeischen Kabels zwischen Shang-Haï und Hong-Kong an dem Gebiete des Reiches zu umgehen, die Unternehmer zwangen, dasselbe auf einem in dem Flusse verankerten Fahrzeuge zu befestigen.
    Im Gegentheil! Kin-Fo stimmte Denen bei, die das Gouvernement lobten, die Arsenale und Werften von Fu-Chao unter Leitung französischer Ingenieure angelegt zu haben. Er besaß auch Antheilscheine der chinesischen Dampfer-Gesellschaft, welche in rein nationalem Interesse den Verkehr zwischen Tien-Tsin und Shang-Haï besorgt, und war ebenso betheiligt an den schnellsegelnden Schiffen, welche die englische Post von Singapore um drei bis vier Tage überholen.
    Wie erwähnt, drangen ihm die neuzeitlichen Fortschritte leicht in Fleisch und Blut ein. So setzten z.B. telephonische Apparate die einzelnen Baulichkeiten seines Yamen miteinander in Verbindung. Elektrische Klingeln befanden sich in allen Räumen der Wohnung. Während der kalten Jahreszeit ließ er Feuer anzünden und wärmte sich ohne Scheu vor der Landessitte, vernünftiger als seine Mitbürger, welche vor dem leeren Herde trotz ihrer vierund fünffachen Bekleidung zittern vor Frost. Er erleuchtete sein Haus mit Gas, so gut wie der Oberzoll-Inspector von Peking oder der steinreiche Mr. Yang, der Hauptbesitzer der Leihanstalten im Reiche der Mitte. Endlich benützte der fortschrittliche Kin-Fo unter Vermeidung des veralteten Hilfsmittels der Schrift bei seiner vertraulichen Correspondenz – wie wir bald sehen werden – den von Edison kürzlich zu hoher Vollkommenheit entwickelten Phonographen.
    Dem Schüler Wang’s fehlte es also, sowohl nach materieller als auch nach geistiger Seite, eigentlich an nichts, um glücklich zu sein. Und doch war er es nicht! Er hatte sogar Soun, um seinen Unmuth täglich an Jemand auszulassen, doch auch Sonn konnte ihm das gesuchte Glück nicht gewähren.
    Eben jetzt zeigte sich von Sonn, der überhaupt niemals am rechten Platze war, nicht die leiseste Spur. Er mochte wohl irgend einen bedeutenderen Fehler, irgend eine grobe Dummheit während der Abwesenheit des Herrn begangen haben, und wenn auch nicht für seinen Rücken, der sich an den darauf tanzenden Rohrstock schon genügend gewöhnt hatte, so fürchtete er, allem Anscheine nach, doch desto mehr für seinen geliebten Zopf.
    »Soun! rief Kin-Fo noch einmal, als er in den Vorraum mit den Eingängen zu den Salons der rechten und linken Seite trat, während der Ton seiner Stimme eine schlecht verhehlte Ungeduld erkennen ließ.
    – Soun! wiederholte auch Wang, dessen Ermahnungen und gute Rathschläge bei dem unverbesserlichen Diener immer erfolglos verhallten.
    – Man suche Soun und bringe ihn mir her!« befahl Kin-Fo, sich an den Hausmeister wendend, der sofort alle Füße zur Aufsuchung des Unsichtbaren in Bewegung setzte.
    Wang und Kin-Fo blieben allein.
    »Die Weisheit, begann der Philosoph, empfiehlt dem Reisenden, der nach seinem Herd zurückgekehrt, sich einige Ruhe zu gönnen.
    – Seien wir also weise!« antwortete gelassen der Schüler Wang’s.
    Er drückte leise des Philosophen Hand und begab sich in sein Zimmer, während Wang sich in das seinige zurückzog.
    Als er allein war, streckte sich Kin-Fo auf einem jener weichen Divans europäischen Fabrikats aus, welche ein chinesischer Tapezierer nimmer hätte in gleicher Weise herstellen können. Er versank in Nachdenken. Sann er nach über seine Heirat mit der liebenswürdigen hübschen Frau, welche die Gefährtin seines Lebens werden sollte? Wahrscheinlich, denn schon am nächsten Tage wollte er ja zu ihr hineilen. Die Erwählte seines Herzens wohnte nämlich nicht selbst in Shang-Haï. Sie weilte in Peking, und Kin-Fo hielt es für passend, ihr gleichzeitig mit der Nachricht von der Rückkehr nach Shang-Haï seine nahe bevorstehende Ankunft in der Hauptstadt des Himmlischen Reiches anzumelden. Es darf wohl nicht wundernehmen, wenn sich in ihm ein lebhafter Wunsch, ja eine gewisse Sehnsucht regte, sie wiederzusehen. Er war ihr ja wirklich mit aufrichtiger Neigung zugethan. Wang hatte ihm das nach den unbestreitbarsten Regeln der Logik bewiesen, und dieses in sein Leben neu eintretende Element konnte ihn vielleicht ein noch unbekanntes Etwas bieten, nämlich das Glück…. das…. welches…. von dem….
    Träumend schloß der gute Kin-Fo die Augen und wäre jetzt gewiß sanft eingeschlummert, wenn er nicht plötzlich ein gewisses Kitzeln in
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