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Die Leiche im rosa Nachthemd

Die Leiche im rosa Nachthemd

Titel: Die Leiche im rosa Nachthemd
Autoren: A. A. Fair
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blieb
Bertha plötzlich stehen und schnüffelte. Sie drehte sich um und sah mich an.
    »Was ist?« fragte ich. Aber in
diesem Augenblick merkte ich es auch: Es roch nach Gas.
    Ich rannte zurück, ließ mich
auf die Knie nieder und versuchte, unter der Tür durchzusehen. Aber irgend
etwas Schwarzes versperrte die Sicht.
    Ich sprang auf, klopfte mir den
Staub von Handflächen und Hosenbeinen und hetzte mit Bertha hinunter in die
Halle. »Ich fürchte, meiner Tante Amelia ist etwas zugestoßen«, sagte ich zu
dem Empfangschef. »Wir waren verabredet — aber sie macht nicht auf.«
    »Vermutlich ist sie
ausgegangen«, meinte er unbesorgt. »Sie kommt sicher bald wieder. Warten Sie
doch in der Halle.«
    »Sie hat aber versprochen, sich
in dieser Zeit im Hotel aufzuhalten!«
    »Ich bin ganz sicher, daß sie
nicht weggegangen ist«, ergänzte Frieda Tarbing.
    »Rufen Sie sie einmal an«,
meinte der Empfangschef.
    Nach einem schnellen
Seitenblick auf mich gehorchte Frieda Tarbing. Einige Minuten vergingen. »Es
antwortet niemand.«
    »Ja, da kann ich leider auch
nichts tun«, sagte der Empfangschef bedauernd.
    »Ich habe auf dem Gang einen
schwachen Gasgeruch bemerkt«, meinte ich.
    Der Empfangschef riß die Augen
auf und wechselte die Farbe. Wortlos griff er sich sein Nachschlüsselbund und
fuhr mit uns zusammen nach oben.
    Aber trotz des Nachschlüssels
rückte und rührte die Tür sich nicht. »Sie ist von innen zugeriegelt«, stellte
er fest.
    »Donald, du bist doch nur eine
halbe Portion«, sagte Bertha. »Du könntest die Oberlichtscheibe einschlagen,
dich durchzwängen und von innen öffnen.«
    »Helfen Sie mir rauf«, sagte
ich zu dem Empfangschef.
    »Ich weiß nicht«, stammelte der
Unglückliche, »ob ich berechtigt bin, äußerste Maßnahmen...«
    »Hier, Kleiner, ich heb’ dich
hoch«, sagte Bertha Cool. Sie stemmte mich mühelos hoch. Ich zog ein
Taschentuch hervor, wickelte es mir um die Hand und schlug die Scheibe ein. Ein
Gasschwall kam mir entgegen.
    »Zieh deinen Schuh aus und
reich ihn mir hoch«, sagte ich zu Bertha. »Ich halte mich solange da oben
fest.«
    Ich klammerte mich mit einer
Hand an die Türkante und mit den Schuhspitzen an die Klinke. Bertha Cool drückte
mir ihren Schuh in die Hand. Ich klopfte mit dem Absatz den Rest der Scheibe
heraus und quetschte mich durch.
    Der Gasgestank war
fürchterlich. Ich spürte ein unerträgliches Brennen in den Augen und ein Würgen
im Hals. Der Raum war dunkel, alle Jalousien waren vorgezogen. Ich warf einen
Blick auf die regungslose Gestalt einer Frau, die über dem Schreibtisch
zusammengesunken war, den Kopf auf die linke Hand gestützt, die Rechte über die
Schreibtischplatte gestreckt.
    Mit angehaltenem Atem rannte
ich zum nächsten Fenster, schob die Jalousie zur Seite, riß das Fenster auf und
sog ein paar Atemzüge frische Luft ein. Dann rannte ich zum zweiten Fenster und
wiederholte die Übung. In der kleinen Kochnische entwich das Gas zischend aus
dem Herd. Ich stellte alle Hähne ab und öffnete das Küchenfenster.
    Von der Tür her hörte ich den
Empfangschef rufen: »Machen Sie doch auf!«, und Bertha Cools Stimme:
»Wahrscheinlich hat er schlappgemacht. Laufen Sie nach unten und holen Sie die
Polizei.«
    Schritte entfernten sich, und
dann hörte ich Bertha Cools beruhigend nüchterne Stimme: »Laß dir Zeit,
Kleiner! Mach’s gründlich!«
    Ich ging hinüber zum
Schreibtisch. Ein Brief, an Bertha Cool gerichtet, war fertiggeschrieben und
kuvertiert. Ich ging zum Fenster und nahm ihn aus dem Umschlag. Es war ein
langer, wirrer Bericht über ihren Auftritt als Amelia Lintig. Ich sah die Namen
John Harbet, Evaline Harris und dann zu meiner Bestürzung Dr. Alfmont und Santa
Carlotta.
    Ich schob den Bogen wieder in
den Umschlag, zögerte einen Augenblick und klebte ihn zu. Dann zog ich einen
der schon mit unserer Büroadresse versehenen und frankierten Eilbotenumschläge
heraus, die ich immer bei mir habe, schob Flo Danzers Geschreibsel hinein und
warf die Sendung Bertha durch die Oberlichtöffnung zu. »Was soll jetzt damit
geschehen, Kleiner?« fragte sie.
    »In den Briefkasten damit, und
dann vergiß die ganze Angelegenheit.«
    Ich hörte Bertha auf dem Gang
auf und ab gehen. Mir war schwindlig und übel. Ich rannte zum Fenster, tankte
wieder ein paar Atemzüge frische Luft, und ging dann zurück zum Schreibtisch.
Unter Flo Danzers Kopf lag ein halbbeschriebener Bogen. Das Gas hatte sie
offensichtlich beim Schreiben übermannt. Die Schrift war
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