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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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seinen Füßen war? Sollte er sie auf die Leiche hinweisen? Doch noch ehe er diesen Gedanken zu Ende brachte, sagte jemand, daß hier noch einer am Boden liege. Wahrscheinlich verletzt, fügte er noch hinzu.
    Sofort setzten sich drei Uniformen in Bewegung. Ängstlich wich er zur Seite, als sie sich mit grimmigen Blicken näherten. Die Matratzen schluckten das selbstherrliche Klacken ihrer Absätze. Derjenige, der eine Kladde unter dem Arm trug, trat mit der Stiefelspitze heftig in die Seite des Toten. Als dieser sich nicht rührte, brachte er durch Kopfnicken seine Begleiter dazu, sich zu bücken und eine kurze Untersuchung vorzunehmen.
    „Tot.“
    „Auch gut. Erspart uns Arbeit.“ Er notierte etwas. Dann wanderte sein Blick zu ihm. „Du da.“
    Obwohl es augenscheinlich war, wer gemeint war: „Ich?“
    „Wer sonst? Spreche ich vielleicht jiddisch?“
    Wie auf Kommando – im erweiterten Sinne war es ja auch eines – brachen die beiden anderen in Gelächter aus.
    „Nein, ich …“
    „Ich …“, äffte er ihn nach. „Du.“ Er legte eine Pause ein, offenbar brauchte er Zeit zum Nachdenken. „Du nimmst jetzt die Tasche von diesem Levi und gibst sie nachher bei der Gepäckdurchsuchung ab. Kapiert?“
    „Jawoll.“
    „Oha, das Pack scheint sich eine zivilisierte Ausdrucksweise angewöhnt zu haben.
Jawoll
. Aber nicht vergessen: sagen, daß die Tasche einem Benzion Levi gehört, der leider, leider wegen eines Herzinfarkts nicht mehr unter uns weilt. Kannst du dir das merken? Daß ihr Juden auch immer so wehleidig seid.“ Die letzten Worte kamen fast schon zärtlich über seine Lippen. Die Anerkennung seiner Begleiter war ihm gewiß.
    Als sein Name dreißig Minuten später aufgerufen wurde und er sich mit den zwei Gepäckstücken in die Reihe stellte, wurde er erst gerügt, bis sie merkten, daß sie ihn ja mit Levis Tasche beauftragt hatten. Er sehnte sich nach einem anderen Leben, er würde sein Gehirn ausschalten müssen, um jenes hier zu behalten.
    Er gehörte einer Gruppe von etwa dreißig Männern und vier Frauen an, die nicht wie die anderen nach draußen, sondern durch einen langen Korridor geführt wurden. Vor einer Eisentür mußten sie in Dreierreihen Aufstellung nehmen. Er wußte nicht, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Lange mußten sie nicht warten, dann wurden sie einzeln aufgerufen. Nachdem er Benzion Levis Habseligkeiten einem Kriminalinspektor Gabbusch ausgehändigt hatte, wurde sein Lederköfferchen gründlich durchsucht. In einer Holzkiste, von der schon die braune Farbe abblätterte, stapelten sich Wertgegenstände aller Art, hauptsächlich Schmuck und Armbanduhren, was ihn ein wenig darüber hinwegtröstete, seine eigene vergessen zu haben. In seinem Koffer befanden sich außer dem Foto, auf das sie nur einen flüchtigen Blick warfen, ausschließlich Kleidungsstücke. Danach mußte er die Schuhe ausziehen und sich an eine Wand stellen, wo sie eine Leibesvisitation durchführten.
    Im nächsten Raum füllte er eine Vermögenserklärung aus. Die geheimen Bargeldbestände verschwieg er. Aber was, wenn sie bei einer peniblen Hausdurchsuchung entdeckt wurden? Doch daran wollte er lieber nicht denken.
    „Ihre Hausschlüssel.“
    Ihm wurde schwindelig. Sofort bereute er seine falschen Angaben. Nun würden sie ihn drankriegen. Er konzentrierte sich auf einen Nagel an der Wand, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Mit zittrigen Fingern ließ er seinen Schlüsselbund auf die zerkratzte Tischplatte fallen. Der für den Dachboden war auch darunter.
    „Nervös?“
    Er schwieg, weil er nichts zu erwidern vermochte.
    „Wohl noch Schmuck versteckt, hä? Ihr Juden seid doch alle gleich. Egal. Wir werden ihn finden. Wir finden alles.“
    Trotz des Wortlauts klang die Stimme höflich. Ihm fiel auf, daß ihr Handeln nicht gerade von Logik geprägt war. Wollten sie Wohnung oder Geschäftsräume durchsuchen, brauchten sie doch bloß bei Miriam zu klingeln. Da kam ihm ein schlimmer Verdacht. Die Schlüssel einzufordern ergab doch nur dann Sinn, wenn sie seine Frau inzwischen auch verhaftet hatten. Bisher waren Halbjuden weniger von Repressalien betroffen gewesen. Aber das konnte sich inzwischen ja geändert haben. Über Nacht neue Gesetze zu erlassen, war ihre Spezialität, schließlich waren sie überall, hatten alle Hefte in die Hand genommen. Er wurde hinausgeführt und mußte sich wieder in die Reihe stellen. Da keiner der vor ihm Wartenden sein Gepäckstück auf dem Boden abgestellt hatte,
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