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Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
Autoren: Megan Whalen Turner
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meine früheren Hauslehrer neigte er dazu, mich überschwänglich zu loben, und rief zwischen den einzelnen Schlucken Wein Dinge wie: »Ein Naturtalent! Ein Naturtalent!«
    Ich ritt allein ein bisschen, wenn auch nicht mit echter Disziplin, und lernte am Nachmittag, was ich wollte. Bis dahin war Terve mit seiner zweiten Amphore schon recht weit gekommen und lag auf einer Liege im Studierzimmer. Dann und wann rief er plötzlich: »Du wirst von sechs Männern mit Schwertern angegriffen!«, oder etwas in der Art, und ich musste mir einen Verteidigungsplan einfallen lassen. Er zerpflückte meine Antworten und schweifte dann in eine weitere Kriegsgeschichte ab, bis er am Ende einschlief. So lag er da und schnarchte friedlich, als mein Vater eintraf, um zu überprüfen, ob ich Fortschritte machte.
    Terve wurde sofort entlassen. Ein Soldat aus der Leibwache meines Vaters wurde damit betraut, mich im Schwertkampf auszubilden, und ein gehässiger, herablassender Quälgeist namens Sigis Malatesta wurde mein neuer Hauslehrer – wie der Name schon sagt, stammte er von der Halbinsel. Er war angeblich an der Universität von Ferria ausgebildet worden, und er hatte meinen Vater nach Letnos begleitet; also musste mein Vater schon vorgehabt haben, Terve zu entlassen, bevor er ihn auf der Liege fand – allerdings wäre es vielleicht nicht mit so viel Geschrei einhergegangen.
    Ich habe keine Ahnung, warum mein Vater etwas von Malatesta hielt. Gewöhnlich gibt er keinen Pfifferling auf Gelehrsamkeit, aber er war Malatesta am Hofe von Sounis begegnet, und ich nehme an, dass er glaubte, Malatesta einzustellen wäre für den Magus, den er nie gemocht hatte, ein Schlag ins Gesicht. Vor Jahren hatte er mich zum Magus geschickt, damit ich dessen Schüler wurde – in der Hoffnung, dass die rasiermesserscharfe Zunge des Magus meinen intellektuellen Ambitionen ein Ende setzen würde. Als das nicht wie beabsichtigt geschah, mochte er den Magus nur umso weniger.
    Natürlich hatte der Magus Sounis längst verlassen: Er war eines Nachts vom Dieb von Eddis gestohlen worden, obwohl mein Onkel erst nicht wusste, wer dafür verantwortlich war. Ich hatte Gerüchte gehört, nach denen der Magus ein attolischer Spion sein sollte, der aus der Stadt geflohen war, als er in Gefahr gewesen war, enttarnt zu werden, und keine Minute lang daran geglaubt. Es erstaunte mich im Nachhinein überhaupt nicht zu erfahren, dass Eugenides die Hand im Spiel gehabt hatte. Als Malatesta kam, war ich bereits überzeugt, dass der Magus eifrig durch die Berge von Eddis wanderte, botanische Proben sammelte und seine »Gefangenschaft« im Gewahrsam der Königin von Eddis genoss. Ich bin sicher, dass er nicht darunter litt, dass ich einen neuen Hauslehrer hatte.
    Ich hasste Malatesta. Er war kaum in der Lage, mehrstellige Zahlen zu multiplizieren, und kannte keine höhere Primzahl als dreizehn. Er hatte die Eponymias nie gelesen, versuchte aber, so zu tun, als hätte er es. Ich bezweifelte sehr, dass er je auch nur einen Fuß in ein Seminar an der Universität von Ferria gesetzt hatte. Er hatte weder Medizin noch Naturgeschichte studiert. Das Einzige, was er gelesen hatte, waren Gedichte. Das hätte uns zu Freunden machen sollen, aber ich hasste auch seinen Geschmack, was Poesie betraf. Während er Süßliches und Übertriebenes bewunderte, mochte ich die Eponymias .
    Meine Mutter kannte natürlich meine Meinung. Sie und meine Schwestern hatten Mitleid mit mir, konnten aber kaum etwas tun. Meine Mutter hätte nie einer Entscheidung meines Vaters zuwidergehandelt, ganz gleich, wie wenig sie von Malatesta hielt. Wenn mein Vater länger als einen Tag in der Villa geblieben wäre, hätte sie ihn vielleicht umstimmen können, indem sie ihn so unmerklich zu ihrer eigenen Ansicht bekehrt hätte, wie ein Magnet einen Ladestein anzieht, aber mein Vater war binnen eines Tages wieder abgereist, nachdem er meinen neuen Hauslehrer eingestellt hatte.
    Ich wusste, dass es meine Mutter bekümmerte, meine Verzweiflung mit anzusehen, also verbarg ich sie, so gut ich konnte. Ich wusste auch, dass Ina und Eurydike, wenn ich sie nur im Geringsten dazu ermuntert hätte, Malatestas Bett mit Bienen gefüllt hätten. Sie sind zierliche Mädchen, klein und feingliedrig wie meine Mutter, so dass ich immer noch beide auf einmal mit nur einer Hand hochheben kann. Es wäre verzeihlich, wenn du sie für die Verkörperung aller damenhaften Anmut hieltest, aber mein Vater hat schon oft Anlass gehabt zu
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