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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Autoren: Megan Whalen Turner
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Fähigkeiten interessiert bin. Wenn du denn so gut bist, wie du zu sein behauptest.«
    »Ich kann alles stehlen«, wiederholte ich.
    »Nur nicht dich selbst aus dem Gefängnis des Königs?«, fragte der Magus und zog diesmal nur eine Augenbraue hoch.
    Ich zuckte erneut mit den Schultern. Auch das hätte ich tun können, aber es hätte lange gedauert. Es hätte vielleicht sehr lange gedauert, und ich wollte, dass der Magus des Königs mir einen schnelleren Weg anbot.
    »Nun, wenigstens hast du gelernt, den Mund zu halten«, sagte der Magus. Er riss sich von seinem Schreibtisch los und schritt durchs Zimmer. Während er mir den Rücken zuwandte, strich ich mir die Haare aus den Augen und sah mich noch einmal rasch um. Dies hier war sein Arbeitszimmer, aber das hatte ich schon gewusst. Bücher und alte Schriftrollen stapelten sich in den Regalen. Eine schartige Bank war mit Amphoren und anderen Tongefäßen überhäuft. Am Ende des Zimmers befand sich eine verhängte Nische, und unter dem Vorhang lugten kaum sichtbar zwei Füße in Lederstiefeln hervor. Ich drehte mich wieder auf meinem Stuhl um; mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Du könntest die Zeit verringern, ohne dein Leben zu verkürzen«, sagte der Magus.
    Ich sah zu ihm hoch. Ich hatte den Gesprächsfaden verloren. In dem Augenblick, den ich brauchte, um ihn wiederzufinden, bemerkte ich, dass er jetzt selbst nervös war. Ich lehnte mich entspannt zurück. »Fahrt fort.«
    »Ich will, dass du etwas stiehlst.«
    Ich lächelte. »Wollt Ihr das Siegel des Königs? Ich kann es Euch beschaffen.«
    »Wenn ich du wäre«, sagte der Magus, »dann würde ich aufhören, damit zu prahlen.« Seine Stimme war heiser.
    Mein Lächeln wurde breiter. Der Goldring mit der Rubin-Gemme hatte sich in seiner Obhut befunden, als ich ihn gestohlen hatte. Dass er ihn verloren hatte, hatte seiner Stellung am Königshof sehr geschadet, da war ich mir sicher. Er warf einen Blick über meine Schulter auf die verhängte Nische; dann kam er zur Sache.
    »Es gibt etwas, das du für mich stehlen sollst. Wenn du das für mich tust, sorge ich dafür, dass du nicht zurück ins Gefängnis musst. Wenn nicht, sorge ich ebenfalls dafür, dass du nicht wieder ins Gefängnis kommst.«
    Häftlinge blieben häufig nicht lange im Gefängnis des Königs. Maurer, Zimmerleute, Schmiede und andere ausgebildete Handwerker konnten damit rechnen, ihre Strafe zum Nutzen des Königs abzuarbeiten. Ungelernte Arbeiter wurden mehrfach im Jahr zusammengetrieben und in die Silberminen südlich der Stadt gebracht. Sie kehrten selten zurück, und andere Gefangene verschwanden einfach.
    Es war offensichtlich genug, woran der Magus dachte, und so nickte ich. »Was soll ich stehlen?« Das war alles, worauf es mir ankam.
    Der Magus beantwortete die Frage nicht. »Die Einzelheiten kannst du später erfahren. Was ich jetzt wissen muss, ist, ob du dazu in der Lage bist.« Ob ich nicht im Gefängnis erkrankt, verstümmelt worden oder so ausgehungert war, dass ich zu nichts mehr taugte.
    »Das bin ich«, sagte ich. »Aber ich muss wissen, was ich stehlen soll.«
    »Du wirst es erfahren. Für den Augenblick geht es dich nichts an.«
    »Was, wenn ich es nicht stehlen kann?«
    »Ich dachte, du könntest alles stehlen?«, stichelte er.
    »Nur nicht mich selbst aus dem Gefängnis des Königs«, pflichtete ich ihm bei.
    »Versuch nicht, schlau zu tun.« Der Magus schüttelte den Kopf. »Du kannst dich nicht gut verstellen.« Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, was ich nicht sagen sollte, aber er fuhr bereits fort: »Es ist eine Reise nötig, um mein Ziel zu erreichen. Während wir unterwegs sind, wirst du reichlich Zeit haben, etwas darüber zu erfahren.«
    Ich lehnte mich besänftigt und hocherfreut zurück. Wenn ich aus der Stadt Sounis hinauskam, würde mich niemand mehr zurückbringen. Der Magus muss genau gewusst haben, was ich dachte, denn er beugte sich wieder über mich.
    »Glaub nicht, dass ich ein Dummkopf bin!«
    Er war kein Dummkopf, das stimmte schon. Aber mich spornte mehr an als ihn. Er lehnte sich an den Tisch, und ich räkelte mich auf dem Stuhl und glaubte, dass die Götter meine Gebete endlich erhört hätten. Dann hörte ich, wie die Ringe oben am Vorhang hinter mir über die Stange glitten, und erinnerte mich an die beiden Füße in der Nische. Mein Magen, der sich ein wenig beruhigt hatte, zog sich erneut zusammen.
    Die Stiefel trampelten durch den Raum, und eine Hand reckte sich über die Stuhllehne, um
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