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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Autoren: Megan Whalen Turner
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durch Tränen und einen ganz engen Schlitz zwischen meinen Augenlidern. Ich zählte die verschwommenen Formen vor mir. Es sah nicht nach einer großen Gesellschaft aus, nur fünf Pferde – aber alle trugen hinter ihren Sätteln ausladendes Gepäck. Es würde eine lange Reise werden. Ich grinste befriedigt. Neben mir sah der Magus zum Himmel empor und sagte zu niemandem im Besonderen: »Ich hatte eigentlich vor, bei Tagesanbruch abzureisen… Pol«, rief er dann, »lass die Jungen aufsteigen. Ich lade den Dieb auf.«
    Es gefiel mir nicht, dass er von mir wie von einem zusätzlichen Gepäckstück sprach, das man in die Satteltasche oder, in meinem Fall, auf einen Sattel werfen konnte. Er ging zu einem Pferd hinüber, und ich konnte sehen, dass er mir bedeutete, zu ihm zu kommen, aber ich rührte mich nicht. Ich hasse Pferde. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die sie für edle, anmutige Tiere halten, aber ganz gleich, wie ein Pferd aus der Ferne aussieht: Man sollte nie vergessen, dass es einem ebenso gut auf den Fuß treten wie einen nur anschauen kann.
    »Was?« Ich tat unschuldig.
    »Steig aufs Pferd, du Dummkopf!«
    »Ich?«
    »Natürlich du, du Narr!«
    Ich rührte mich nicht, und der Magus wurde es müde zu warten. Er trat an meine Seite, packte mich im Genick und schleifte mich zu dem Pferd hinüber. Ich stemmte die Fersen auf den Boden und wehrte mich. Wenn ich schon auf ein Tier klettern musste, das acht Mal so groß wie ich war, wollte ich den Versuch erst einmal planen.
    Der Magus war ein gutes Stück stärker als ich. Er hielt mich beim Kragen, schüttelte mich ein oder zwei Mal, und mir wurde schwindlig. Ich hörte, wie der billige Stoff riss. Er griff erneut zu, um meinen Nacken fester zu halten.
    »Setz den linken Fuß in den Steigbügel«, sagte er. »Den linken.«
    Ich tat wie geheißen, und zwei der Knechte kamen herüber, um mich in den Sattel zu heben, bevor mein Gehirn wieder zur Ruhe gekommen war. Als ich erst einmal oben war, schüttelte ich mir die Haare aus den Augen. Während ich versuchte, sie mir hinter den Ohren festzustecken, sah ich mich um. Sechs Fuß über dem Boden zu sitzen verleiht einem ein Gefühl der Überlegenheit. Ich zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme, aber das Tier unter mir bewegte sich ruckartig zur Seite, und ich musste die Arme voneinander lösen, um mich an den Sattelknauf zu klammern. Ich hielt mich fest, während ich darauf wartete, dass die anderen aufstiegen.
    Sobald sie im Sattel saßen, lenkte der Magus sein Pferd zu dem Torbogen auf einer Seite des Hofs. Mein Pferd folgte brav, und die anderen kamen mir nach, während wir unter Palastgemächern und Gängen, in denen ich in der vergangenen Nacht gewesen war, hindurchritten. Meine Augen bekamen eine kurze Ruhepause, bevor wir das äußere Tor erreichten. Es erscholl keine Fanfare, keine Menschenmenge jubelte, um uns Glück auf unserer Reise zu wünschen – umso besser. Bisher hatten die Zurufe einer Menschenmenge nur ein einziges Mal mir gegolten: bei meinem Prozess, und das hatte mir ganz und gar nicht gefallen.
    Wir ritten nicht durch das Haupttor des Megarons hinaus, und so gelangten wir auf eine enge Gasse, die kaum breiter als die Pferde war. Meine Füße streiften beiderseits die weiß gekalkten Wände. Wir schlängelten uns durch weitere schmale Gässchen, bis wir die Heilige Straße erreichten, der wir bis zum Tor der Altstadt folgten. Das Tor bestand aus Steinblöcken, die größer als ich waren. Noch ein Bauwerk, das angeblich von den alten Göttern errichtet worden war. Es war von einem Türsturz aus massivem Stein bekrönt, in den zwei Löwen eingemeißelt waren, die angeblich brüllten, wenn ein Feind des Königs unter ihnen hindurchkam. Zumindest erzählte man sich, dass sie Löwen darstellten: Der Stein war im Laufe der Jahrhunderte verwittert, so dass nur undeutliche Umrisse der Ungeheuer zurückgeblieben waren, die einander über eine niedrige Säule hinweg ansahen. Sie blieben stumm, als wir unter ihnen hindurchritten.
    Die Königsstraße war breit und schnurgerade; sie kreuzte noch zwei Mal die gewundenere Heilige Straße, bevor sie den Hafen erreichte. Als die Straße errichtet worden war, war sie noch von Steinmauern gesäumt gewesen, die diese Verbindung zwischen der Stadt und ihrem Hafen samt ihren Schiffen schützten. Die Langen Mauern waren später abgerissen worden, um Baumaterial für all die neuen Flügel des königlichen Megarons zu liefern, als es von einer Festung
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