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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung
Autoren: Kathryn Lasky
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die dort das Sagen hatten! Kein Eulenland schienen sie mit ihren Untaten verschont zu haben: In Ambala stahlen sie Eier, in Tyto entführten sie Küken und in Kuneer schreckten sie nicht einmal davor zurück, Angehörige ihrer eigenen Art zu fressen. Laut Hortense hatten manche Bewohner Ambalas begriffen, dass die Verbrechen von Sankt Ägolius ausgingen. Sorens Eltern dagegen hatten noch an eine Häufung unglücklicher Zufälle geglaubt, allenfalls an eine kleine Bande aus der Art geschlagener Eulen. Eine Einrichtung von der Größe und Macht des Sankt-Ägolius-Internats für verwaiste Eulen hätten sie sich niemals vorstellen können. So erging es wohl den meisten Eulen. Waren Soren, Gylfie und Morgengrau etwa die Einzigen, die die verderbliche Macht des Sankt Äggie richtig einschätzten? Waren sie die Einzigen, die wussten, wer hinter den Grausamkeiten landauf, landab steckte? Wenn ja, mussten sie unbedingt zusammenbleiben und zusammenhalten. Drei waren zwar nicht viel, aber immer noch besser als einer allein. Nur er selbst, Gylfie und Morgengrau kannten die ganze schreckliche Wahrheit. Allein dieses Wissen konnte entscheidend dazu beitragen, andere Eulen vor großem Unheil zu bewahren.
    Soren dachte daran, wie er als Gefangener im Sankt Äggie begriffen hatte, dass es nicht damit getan war, von dort zu fliehen. Wie ihn der Gedanke gequält hatte, auch seine heiß geliebte Schwester Eglantine könnte entführt worden sein. Wie er sich ausgemalt hatte, dass Hunderte, ja Tausende von Eglantines in Gefahr schwebten. Inzwischen war ihnen die Flucht gelungen, und Soren war davon überzeugt, dass ihre Aufgabe noch viel schwerer und umfassender war, als sie ahnten. Aber wie sollte er seinen Freunden das klarmachen? Darüber musste er erst einmal gründlich nachdenken.
    Wenn die drei Gefährten nach unten spähten, sahen sie Digger durch den Wüstensand laufen. Zwischendurch flog er kurze Strecken, aber er hielt sich dabei dicht über dem Boden, um bloß keinen Bau zu übersehen, in dem seine Eltern untergeschlüpft sein könnten. Die meiste Zeit lief er aber. Seine langen, unbefiederten Beine schritten weit aus, er hob den kurzen Schwanz, um jeden Windhauch einzufangen, der ihn anschieben konnte. Kam der Wind von vorn, wie gerade eben, legte er die Flügel an den Körper und stemmte sich geduckt dagegen.
    „Dieser drollige Kerl hat echt unglaublich lange Beine“, brummelte Morgengrau, als die schmale Mondfeder langsam am Himmel emporstieg.
    „Unglaublich lange Beine und einen unglaublichen Sturkopf“, pflichtete ihm Gylfie bei.
    Soren dagegen bewunderte den komischen Kauz. Diggers Entschlossenheit war wirklich beeindruckend. Plötzlich ließ ein Geräusch Soren aufhorchen. Er legte den Kopf schief, erst nach rechts, dann nach links.
    Wie bei allen Schleiereulen befanden sich Sorens Ohren nicht auf gleicher Höh e – das linke saß weiter oben am Kopf als das rechte. Auf diese Weise konnte er Geräusche noch besser orten. Außerdem sorgten bestimmte Muskeln in seinem Gesicht dafür, dass sich der Gesichtsschleier sträubte und die Laute an seine Ohren weiterleitete. Die Geräusche mussten jetzt von der Windseite, von rechts, kommen, denn das rechte Ohr hatte diesmal schneller als das linke reagiert, allerdings höchstens um den millionsten Bruchteil einer Sekunde.
    „Du triangulierst, stimmt’s?“, fragte Morgengrau.
    „Ich mache was?“
    „Hab ich mir ausgedacht, das Wort. Ich meine damit das, was ihr Schleiereulen am besten könn t – Geräusche orten. Hast du was Leckeres entdeckt? Ich könnte ’nen Happen vertragen.“
    „Unter uns ist etwas, aber nicht unten auf dem Boden, sondern in der Luft. Auf der Windseite, in einer Linie mit dem hellen Stern, auf den mein Flügel zeigt.“
    Schon kamen die Verursacher der Geräusche in Sicht. „Gütiger Glaux, das sind ja Jatt und Jutt!“, rief Soren erschrocken aus.
    „Die haben es auf Digger abgesehen“, sagte Gylfie. „Hoffentlich ist ein leerer Bau in der Nähe!“
    „Und diese grässliche 47-2 ist auch mit von der Partie“, stellte Soren fest. „Guck mal, wie groß sie geworden is t – ein Riesenbrocken!“
    „Das ist eine Kreischeule“, raunte Morgengrau.
    So war es. 47-2 sah inzwischen wie ihr gewalttätiger Artgenosse Spoorn aus.
    „Offenbar haben sie ihr erlaubt, Flugfedern zu bekommen, und ihr das Fliegen beigebracht“, sagte Gylfie matt.
    „Beidrehen!“, kommandierte Morgengrau. „Nicht dass die uns noch hören.“
    „Warte“, raunte
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