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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat
Autoren: Kathryn Lasky
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nimmt.“
    „Das ist eine wissenschaftliche Tatsache!“
    „Mag sein, aber in Versen und Legenden leben die Urzeitwölfe weiter. Dichtung hat die Aufgabe, uns über unseren eintönigen Alltag und die engen Grenzen der Gegenwart zu erheben. In Versen und Legenden ist oft mehr Wissen enthalten als in jedem Fachbuch. Für deine Studien lege ich dir den Feuerzyklus ans Herz: zweites Buch, dritter Gesang, Zeile 47 bis 99.“ Der alte Kreischeulerich, dessen Gefieder inzwischen fast so weiß war wie das einer Schnee-Eule, hob bekräftigend den Fuß. Als junge Eule hatte dieser Anblick Otulissa Angst eingejagt, denn Ezylryb besaß an diesem Fuß nur noch drei Zehen. Die vierte hatte er in einer Schlacht eingebüßt.
    „Ich habe eine Ausgabe des Feuerzyklus in meiner Schlafhöhle. Ich werde die Stelle nachlesen.“
    Was Ezylryb gesagt hatte, beunruhigte Otulissa. Der Alte war ein bedeutender Wissenschaftler. Trotzdem riet er ihr, sich mit den überlieferten Legenden zu beschäftigen, wenn sie etwas über Urzeitwölfe erfahren wollte. Ob er ihr angemerkt hatte, dass sie in schlechter Verfassung war, weil ihr die Albträume zu schaffen machten? Aber wenn sie schon im Feuerzyklus lesen musste, dann wenigstens ungestört in ihrer eigenen Höhle. Zeit hatte sie genug. Bis zum Nachtmahl dauerte es noch einige Stunden.
    Als Otulissa ihre Schlafhöhle betrat, fröstelte sie, obwohl es Sommer war. Die Kohlen in der Feuerstelle glommen nur noch schwach. Als Wächterin und Ryb durfte Otulissa ihre Höhle beheizen. Das war an kalten Tagen sehr angenehm. Als sie mit dem Schnabel in der Glut stocherte, verstreute sie ein wenig Asche auf dem Boden. Otulissa konnte Schmutz und Unordnung nicht leiden. Sollte sie eine Nesthälterin rufen? Ach was, es ging schneller, wenn sie die Asche selbst zusammenfegte. Ein bisschen Aufräumen konnte auch nichts schaden. So beschäftigte sich Otulissa eine ganze Weile, bis sie es schließlich wirklich nicht länger hinausschieben konnte, den Feuerzyklus aufzuschlagen. Wissen zu erwerben, ist eine heilige Pflicht! Nur Dummköpfe und Feiglinge drücken sich davor , tadelte sie sich. Dann holte sie ihre zerlesene Ausgabe des Feuerzyklus aus dem Bücherregal und schlug die Stelle auf, die ihr Ezylryb genannt hatte.
    Im letzten bleichen Mondenlicht
Ein Rudel Wölfe versammelt sich.
Von Eis bedeckt ist ihr Revier.
Sie sind sich einig: „Fort von hier!“

Sie gehen auf die Wanderschaft,
Doch raubt der Hunger ihnen Kraft.
Der Leitwolf Fengo führt sie an.
Eine neue Heimat – er glaubt daran.

Doch immer wieder kommt die Frage,
Erst zuversichtlich, dann als Klage:
„Sag uns, Fengo, ist es noch weit?
Wir laufen nun schon so lange Zeit!“

Fengos Antwort lautet immer:
„Seht ihr am Himmel den roten Schimmer?
Hinter den Bergen ein Feuer brennt –
,Hinterlande‘ man die Gegend nennt.
Dort gibt es weder Schnee noch Eis,
Die Flammen lodern hoch und heiß!“

Im schwarzen Gebirg’ aus Vulkangestein
Gefällt es den Wölfen ungemein.
Sie lassen sich nieder zwischen Feuer und Glut,
Die Wärme belebt sie und tut ihnen gut.
    Otulissa las weiter. Dass in der Zeit der Eismassen viele sehr große Tierarten ausgestorben waren, war ihr nicht neu. Kleinere Tiere dagegen hatten oftmals überlebt. Wie die Urzeitwölfe auch hatten sie sich in Scharen auf die Suche nach einem wärmeren Lebensraum gemacht. Den fanden sie oft in den Hinterlanden. Heutzutage stammten viele Söldner aus dieser unwirtlichen Gegend.
    Der nächste Gesang des Zyklus war besonders poetisch. Er handelte davon, wie Gränk die Glut von Hoole vor unerwünschtem Zugriff versteckte. Otulissas Lieblingsstelle schilderte, wie Gränk den jungen Hoole zu sich holte.
    Kaum verließ das Küken das Ei,
Flog Gränk zu seiner Rettung herbei.
Er nahm den künftigen König zu sich,
War Freund und Lehrer ihm väterlich.
    Die Bedeutung des letzten Gesanges war umstritten. Otulissa las ihn langsam und konzentriert.
    Wenn die kupferrote Zeit ist ins Land gezogen,
Kommt er durch Tag und Nacht geflogen.
Im Schnabel trägt er die heiße Glut,
Sein Magen ist tapfer, sein Herz ist gut.
Eine seltene Gabe ist ihm eigen –
Im Feuer sich ihm Bilder zeigen.
Ausführen soll er Hooles Willen,
Soll seinen Auftrag hier erfüllen.
    Otulissa hielt inne. Wer ist da eigentlich gemeint? Sie las die letzten Zeilen noch einmal. Manche Gelehrten behaupteten, dass der letzte Gesang unvollständig sei und mehrere Zeilen fehlten. Einige waren sogar der Meinung, die letzten Verse seien eine
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