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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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und Leibern an, schattenhafte Gestalten berührten ihn, strichen ihm fast erotisch über Hände, Hals und Gesicht. Fast glaubte er, in ihren leeren Höhlen Augen zu sehen.
    »Was sind das für welche?« Haust war gelähmt, zitterte nur im festen Griff der Geister.
    »Die dich da heben, nennen wir Phonoi«, sagte der Mann. »Prächtige Geschöpfe, nicht wahr?«
    Eine der Erscheinungen flüsterte: »Sollen wir ihn jetzt fallen lassen, Sir? Sollen wir?«
    »Sir, was sollen wir mit ihm anstellen?«, murmelte eine andere Stimme. »Was sollen wir tun?«
    »Ihm die Knochen brechen?«
    »Ihn vorher zerreißen?«
    »Ihm die Innereien entfernen?«
    »Dürfen wir?«
    Sie schwebten mit ihm zu einem riesigen Kessel, an dem Flammen emporzüngelten und aus dem Dampf stieg. Haust schrie erneut, während der lächelnde Mann mit Zylinder sich winkend und mit einer Verbeugung von ihm verabschiedete.
    Dann fiel der Soldat plötzlich und brüllte verzweifelt auf. Zum zweiten Mal in dieser Nacht wurde ihm schwarz vor Augen …

KAPITEL 1
    E s begann damit, dass jemand mitten in der Nacht an die Tür klopfte und eine unbekannte Stimme seinen Namen dringlich durchs Schlüsselloch flüsterte.
    »Ermittler Jeryd?«
    In seiner Traumverlorenheit schienen die Worte wie ein geisterhaftes Geräusch auf ihn zuzuströmen. Was ging hier vor?
    Er lag mit seiner Frau Marysa im Bett und verbrachte die achte richtige Nacht in Villiren. Jeryd hatte sich eben erst an den späten Lärm gewöhnt, an den dauernden Trubel und daran, dass zu jeder Nachtstunde Leute an seinem Fenster vorbeikamen: Geräusche, die ihn auch beim Einschlummern noch beschäftigten. Schlaf war kostbar, und in einem anderen Bett zu liegen, war, als lebte man in einem anderen Umfeld. Er hatte das Gefühl, sein Leben sei ganz durcheinandergeraten, und das war eigentlich paradox, weil es tatsächlich aufs blanke Minimum reduziert war.
    Er rieb sich den Bauch und wedelte gedankenverloren mit der Schwanzspitze. Zu spät am Abend für so eine Störung, dachte er. Weit über hundert Jahre konnte er zurückblicken, vermochte sich aber nicht zu erinnern, dass das Dasein ihm auf längere Zeit so ungewiss erschienen war. Bis vor Kurzem war die Arbeit sein Leben gewesen. Er hatte sich sicher gefühlt, als er noch für Villjamurs Inquisition tätig war, hatte den Alltag der Behörde gekannt und gewusst, was von ihm erwartet wurde. Ihm war klar gewesen, worauf es ankam, wo er hinpasste und wohin nicht. Nun aber war sein Alltag dahin und das Selbstvertrauen seiner vielen Berufsjahre untergraben.
    Das Einzige, was ihn mit seinem früheren Dasein verband und ihm so Orientierung gab, war seine Frau Marysa. Ehen haben gute und weniger gute Phasen, doch in letzter Zeit hatten sie ihre Liebe zueinander wiederentdeckt, und deshalb war er mit seinem Leben sehr zufrieden. Tatsächlich hatte die Trennung von der Heimatstadt sie näher zusammengebracht. Viel mehr konnte er nicht verlangen. Intuitiv warf er Marysa einen Seitenblick zu. Auf ihr weißes Haar, das einen starken Kontrast zu ihrer festen schwarzen Haut bildete, fiel durch die Fensterläden das Licht eines der beiden Monde. Auch ihr Schwanz wedelte sanft unter den Laken, und ihr schlafender Umriss hatte etwas ungemein Beruhigendes.
    Wieder das Flüstern: »Ermittler Rumex Jeryd?«
    »Mensch, warte gefälligst!«
    Inzwischen war er kaum mehr neugierig, warum ihn jemand sprechen wollte, und vor allem verärgert über die Störung seiner Nachtruhe. Er lag da und dachte: Wenn jemand mitten in der Nacht zu einem kommt, dann kaum, um etwas Nettes zu berichten. Soll ich mir da die Mühe machen nachzuschauen?
    Im Kamin glühten noch Scheite, und der Staub, der sich über Jahre im Zimmer gesammelt hatte, stach ihm in die Nase. Doch das war nur ein Übergangsquartier, denn angesichts des angekündigten Krieges wusste er nicht, wie lange er in Villiren bliebe.
    »Bitte öffnet!« Die Stimme klang ruhig und entschlossen und war das Befehlen offenbar gewöhnt.
    Konzentrier dich, Jeryd!
    Er schwang sich aus dem Bett. Obwohl er bereits dick angezogen war, trug er obendrein eine abscheuliche rote Nachthose, in die Hunderte winziger goldener Sterne gestickt waren. Marysa hatte sie bei der Abreise aus Villjamur für ihn gekauft und behauptet, er sei zu mürrisch, müsse aufgeheitert werden und solle öfter lächeln. Irgendwie beschämt und fast unfähig zu lächeln, schlich er durchs Zimmer, und seine Fersen ließen die Bohlen knacken.
    Eine Spinne flitzte über den
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