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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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erwähnt, der in der Stadt sei und nicht viele Fälle bearbeite. Ich habe leichten militärischen Druck eingesetzt, um Euren Namen und Eure Adresse zu erfahren.«
    Jeryd fragte sich kurz, wie rasch sein Aufenthaltsort an einen cleveren Mistkerl in Villjamur verraten werden mochte. Natürlich nur, falls der neue Kaiser sich die Mühe machte, nach ihm suchen zu lassen.
    »Und ich habe gehört, dass nicht nur Haust, sondern auch andere verschwunden sind – in erstaunlich großer Zahl sogar.«
    »Vielleicht sind sie wegen der Winterstarre getürmt«, wandte Jeryd ein und überlegte dabei, welche Möglichkeiten er hatte.
    »Nicht so viele und nicht spurlos«, entgegnete der Kommandeur. »Die meisten Bewohner dieser Stadt sind vollauf damit beschäftigt, sich von einem Tag zum anderen durchzuschlagen, und versuchen nicht, dem Eis zu entkommen – oder sogar dem drohenden Krieg. Und wohin sollten sie auch gehen? Nein, nach allem, was ich gehört habe, sind diese Menschen einfach verschwunden.«
    Jeryd fragte nach den üblichen Einzelheiten, um den einen oder anderen Hinweis zu bekommen, der ihm im Fall des vermissten Nachtgardisten sofort weiterhelfen mochte. Für ihn zählte jedes Detail. Nach den Aussagen des Kommandeurs mochte durchaus ein Mord stattgefunden haben, doch in einer unruhigen Stadt wie Villiren konnte Jeryd bei so dürftigen Hinweisen wenig unternehmen. Leute verschwanden laufend. Nach seiner Erfahrung handelte es sich dabei um ein allzu verbreitetes Rätsel.
    »Normalerweise würde ich einige meiner Männer ermitteln lassen«, fuhr der Kommandeur fort, »aber angesichts der Ereignisse im Norden und der Dinge, die zu befürchten stehen, sind wir zu sehr mit strategischen Planungen und mit Exerzieren beschäftigt. Deshalb muss ich diese Angelegenheit jemandem anvertrauen.«
    »Ihr seid ein sehr argwöhnischer Mensch«, sagte Jeryd anerkennend.
    »Dazu habe ich auch allen Grund. Ich traue nicht einmal unserem Kanzler, der nun natürlich Kaiser ist. Entschuldigt, aber ich habe mich noch immer nicht an den Sturz der Jamur-Linie gewöhnt.«
    »Da haben wir etwas gemeinsam, Kommandeur.«
    Jeryd erinnerte sich nur zu genau daran, was sich in Villjamur zugetragen hatte. An die Fakten, die er aufgedeckt hatte. Daran, wie die Jamur-Linie durch einen neuen Regenten ersetzt wurde. An die Verschwörungen der religiösen Kulte. Daran, wie Urtica über Nacht vom Kanzler zum Kaiser geworden war, indem er listig Tatsachen und Worte verändert und Menschen bestochen hatte.
    Der Albino nickte ihm lächelnd zu und bestätigte so, dass sie einer Meinung waren. Jeryd kam daraufhin zu dem Schluss, dass sie eine Vereinbarung getroffen hatten und er sich am Morgen sofort um die Angelegenheit kümmern würde.
    Während der ranke Kommandeur den Flur entlangging, schlurfte Jeryd mit seiner zweifelhaften Hose zurück ins Bett, umarmte Marysa, kuschelte sich an sie und überlegte, wie er sich in einer Stadt zurechtfinden sollte, über die er noch immer fast nichts wusste.

KAPITEL 2
    A ls Brynd Lathraea und Bürgermeister Lutto in die Unterwelt von Villiren abstiegen, drang ihnen schon von fern aus dem Versammlungssaal ein solches Donnergrollen entgegen, als stammte es von einer angreifenden Armee. Hier unten waren sie mitunter so abgeschnitten von der Erdoberfläche, dass Brynd sich fragte, ob er sich in einem Albtraum befand.
    Es taute, und fauliges Wasser sickerte auf ihren Weg und mischte sich mit den Abwässern und mit etwas, das er nicht zu benennen wagte.
    »Lutto ist sich des Gestanks wohl bewusst«, brummte der Bürgermeister von Villiren, »doch in Krisenzeiten ist der Geruch meiner schönen Stadt – will sagen: von des Kaisers schöner Stadt, ha! – meine geringste Sorge.« Er watschelte wie eine Ente durch die dunklen und monotonen Gänge, hielt die Arme von seinen fetten Flanken gespreizt, trug in einer Faust eine Kerze und führte sie immer tiefer hinab, dem dröhnenden Krach entgegen. Wenigstens hatte Brynd nun Luttos Rücken vor sich, musste also nicht mehr in sein verlogenes Gesicht mit dem seltsam hypnotischen Schnurrbart blicken. Er hatte den Eindruck, Lutto habe ihn sich so stehen lassen, damit die Leute nicht anfingen, in seinen Augen nach Anzeichen irgendwelcher Reste von Wahrheit zu suchen, die in dem, was er sagte, verborgen sein mochte. Lutto war noch nicht gänzlich in Dummheit versunken, doch den wenigen Gesprächen nach zu urteilen, die sie miteinander geführt hatten, konnte es jeden Moment so weit sein.
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