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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Autoren: Ute R. Albrecht
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nach einem Konflikt wieder für sich zu gewinnen. In seinem Therapiebericht steht unter anderem: Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er ist unfähig, deine Gefühle wahrzunehmen. Pass auf. Renn weg. Mit einem narzisstischen Menschen zu leben ist frustrierend, verwirrend, nervenaufreibend, desillusionierend, depersonalisierend, extrem stressbeladen.
    Hau jetzt endlich ab du blöde Kuh!
     
    Ich will diese warnende Stimme nicht hören. Ich möchte mich nur dieser Wärme und diesem Hundeblick hingeben.
    Obwohl ich weiß, dass es mein Verderben sein könnte. Doch ich sehne mich nach Nähe und will in seinen Armen liegen. Alles soll gut sein.
    Schließlich lieben wir beide den gleichen Menschen: Konrad .
    Er lässt meine Hand los und lehnt sich etwas zurück. Am Liebsten möchte ich schreien: Nein, lass mich nicht wieder los. Ich brauche diese Wärme. Ich will nicht allein sein.
    Unerwartet zaubert er ein kleines Päckchen hervor und stellt es auf den Tisch.
    Ein Kästchen aus rotem Samt, meinem Lieblingsstoff, mit einer dezenten goldenen Schleife. Ich begreife nicht, was da drin sein soll. Nachdem er mich wiederholt auffordert, es auszupacken, erwache ich aus meiner Erstarrung.
     
    Meine gespielte Sicherheit ist soeben verschwunden. Ich bin nur noch eine verwirrte Frau mit diffusen Ängsten und irren Hoffnungen. Leise vernehme ich tief in meinem Inneren eine krächzende Stimme. Sie bedeutet mir, dieses Kästchen nicht aufzupacken. Besser wäre es, ich würde augenblicklich verschwinden.
    Langsam ziehe ich die Schleife auf und hebe erwartungsvoll den Deckel: Ein goldener Ring.
    Beim näheren Hinsehen erkenne ich die Gravur seines Namens auf der Innenseite. Und ein Datum: Heute.
    Eifrig erklärt er mir sein Präsent: „Liebste Selina, ich möchte um Deine Hand anhalten. Ich weiß, dass ich schwierig bin, aber ich bin guter Dinge, dass ich meine Defizite in den Griff bekomme. Bitte heirate mich“.
    Immer noch verwirrt lasse ich mir den Ring anstecken. Er küsst mich. Irgendwas stammle ich. Oder auch nicht.
    Ja, ich habe mich eben verlobt.
     
    Das ist ein Teil dessen, was ich mir in meinem Leben noch wünschte. Allerdings sitze ich dem falschen Mann gegenüber. Das ist mir trotz allem klar. In mir kommt keine Freude auf. Zu deutlich spüre ich in meinem Herzen die warnende Stimme, geprägt von Misstrauen und Furcht. Es ist bestimmt falsch, was ich hier mache. Trotzdem lasse ich es zu. Bin ich jetzt total bescheuert?
    Der Abend endet, wie er enden muss. Wir schlafen zusammen. Ich bin immer noch nicht ganz bei Verstand. Selbst meine innere warnende Stimme hält die Klappe. Wahrscheinlich, weil es hoffnungslos mit mir ist. Im Grunde fühle ich nichts. Ich bin wie eine Mumie, die sich mechanisch bewegt und von außen den Ablauf verfolgt. So, als sei ich gar nicht mehr in mir drin. Ich bleibe das ganze Wochenende bei ihm. Tatsächlich ist er überaus lieb und freundlich zu mir.
    Dennoch, den Ring am Finger empfinde ich als Fremdkörper. Zu Hause streife ich ihn angewidert ab. Dabei sehne ich mich in meinen kühnsten Träumen danach, solch ein Zeichen der Liebe zu tragen. Und jetzt stehe ich hier und weiß nicht mehr, was ich fühlen soll. Mein Denken, meine Gefühle, mein Verhalten, das ist alles ambivalent. Irgendwas stimmt nicht mit mir.
     
    Meine besorgte Freundin hat mehrmals auf den Anrufbeantworter gesprochen. Zurückrufen mag ich nicht. Ich sitze mit einer Tasse Pfefferminztee in meinem kuscheligen Sessel und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Doch es gelingt mir nicht.
Was ist nur mit mir los?
    In den folgenden Tagen hält mein tranceartiger Zustand an, ich bewältige meinen Job, gehe einkaufen, mache die Wohnung sauber, telefoniere mit Konrad, lasse mir Blumen schenken. Gehe mit ihm spazieren, ins Bett.
    Ich glaube, ich brauche Abstand von all diesem hier.
     
    Glücklicherweise steht meine erste Therapiestunde an. Drastisch und vorbehaltlos berichte ich einer kleinen, sympathischen Mittfünfzigerin von meinem Dilemma. Die Therapeutin hört mir geduldig zu, nickt ab und an bestätigend mit ihrem blonden Lockenkopf. Gelegentlich fragt sie behutsam nach. Natürlich mag ich Valentina auf Anhieb.
    Sie gehört zu den wenigen Menschen, die man bei der ersten Begegnung schon ins Herz schließt. Ihr scheint es ähnlich zu gehen, so betont sie jedenfalls. Eine Therapeutin könne auch nicht mit jedem Patienten zusammen arbeiten. Ich habe großes Glück, dass endlich etwas einfach geht, dafür bin ich dankbar.
    Sie
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