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Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Titel: Die lebenden Puppen des Gerald Pole
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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war ein Meister der Täuschung und der Verkleidung. Er konnte jede Gestalt annehmen, das jedenfalls sagten die alten Legenden, und so hätte der Teufel auch leicht als Engel auftreten können.
    War er das?
    Obwohl die beiden Flügel ausgebreitet waren, hatte er Kontakt mit dem Boden gehabt und war nicht geflogen. Aber er hatte auch keinen Laut von sich gegeben. Man konnte davon ausgehen, dass er über den Boden hinweg geglitten war.
    Und jetzt erwartete er etwas. Das stand für Gerald Pole fest. Ansonsten hätte er nicht zu erscheinen brauchen. Pole war plötzlich wichtig geworden, der Teufel hatte seine Bitten erhört, aber er fragte sich, ob er den Richtigen angerufen hatte.
    Die Gestalt faltete ihre Flügel zusammen und ging noch einen Schritt nach vorn. Jetzt war auch Gerald Pole bereit, eine Frage zu stellen.
    »Wer bist du?«
    »Ich bin der, auf den du dich so gefreut hast.«
    Pole lachte kehlig. »Nein, der bist du nicht. Der kannst du gar nicht sein. Du bist nicht der Teufel, denn der Teufel sieht anders aus. Du bist ein Engel oder du bist einer, der mir etwas Bestimmtes vorspielen will.«
    »Nein, ich will dir nichts vorspielen, ich habe dich nur erhört, das ist alles.«
    »Ach ja?«
    »Du hast mich doch sehen wollen.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Und jetzt bin ich hier.«
    Das war er auch, da biss keine Maus den Faden ab, aber nicht so. Der Teufel hätte ein anderer sein müssen, und das bekam der Ankömmling auch zu hören.
    »Ich kann dir nicht glauben.«
    »Ach ja? Was bedeutet das?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann willst du also Beweise.« Die Gestalt nickte. »Okay, du kannst sie haben. Aber zuvor will ich dir sagen, dass der Teufel ein Meister der Verwandlung ist. Er kann als grausamer Krieger erscheinen, aber auch als ein altes Mütterchen, das um Kleidung bittet, weil es so friert. Ich habe mich für diese Gestalt entschieden. Ich bin weder Mann noch Frau. Ich kann beides sein, und so habe ich mich jetzt dir gegenüber gezeigt. Aber ich kann auch anders.«
    Ab jetzt hatte Gerald Pole das Gefühl, den Bogen überspannt zu haben. Er wollte den Teufel beschwichtigen, um zu retten, was noch zu retten war. Nur keine Feindschaft.
    »Ja, ja, ja …« Er hob seine Arme. »Ich glaube dir ja. Sorry, dass ich gezweifelt habe.«
    Die Gestalt winkte ab. Und bei dieser Bewegung veränderte sich auch ihr Aussehen. Plötzlich verschwand die helle Haut des Körpers. Blitzartig wuchs ein dunkles Fell und das Gesicht verwandelte sich in eine Fratze mit dreieckiger Form. Eine breite und hohe Stirn war zu sehen, aber auch die beiden krummen Dinger, die seitlich aus ihr hervor wuchsen.
    Das waren die Hörner, und dann zeigte der Teufel ein offenes Maul mit seinen hellen Stiftzähnen. Zugleich stellte er eine Frage. »Na, gefalle ich dir so besser?«
    Bei seiner Frage stieß er Rauch aus. Der quoll aus seinem Maul und den Nasenlöchern.
    Gerald Pole blieb nichts anderes übrig, als seine Hände in die Höhe zu reißen. Er deckte damit sein Gesicht ab, denn er wollte nichts mehr sehen. Den Gestank nahm er noch wahr, dann war es vorbei, denn er hörte das glucksende Lachen.
    Pole ließ die Arme sinken.
    Er starrte nach vorn und sah den Teufel wieder in der Gestalt des Engels vor sich. Auf dem bleichen Gesicht lag ein faunisches Grinsen. Diese Gestalt wusste genau, was sie tat, das sah man ihr an.
    »Und jetzt?«, fragte sie.
    Pole nickte. »Ist schon okay. Ist alles wieder okay. Ich weiß jetzt Bescheid. Du bist es also doch.«
    »Ja, und das müsste dich freuen.«
    »Kann sein.«
    Die Gestalt wurde wütend und trat mit dem Fuß auf. »Wolltest du nicht, dass ich dir erscheine?«
    »Ja …«
    »Hast du dich nicht nach mir gesehnt?«
    Pole hatte einen trockenen Mund bekommen. Er nickte.
    »Und ich habe deinen Wunsch gespürt. Ich habe dich erhört. Ich weiß auch, dass du es ehrlich meinst, und deshalb werde ich auch ehrlich zu dir sein.«
    Es waren genau die Worte, die dem Zuhörer gefehlt hatten. So fiel Gerald Pole ein Stein vom Herzen. Die Angst zog sich zurück, und auch die Gänsehaut verschwand.
    Jetzt war er in der Lage, sich nur auf seinen Besucher zu konzentrieren. Das allein zählte. Alles andere war unwichtig.
    Er sah, dass dieser falsche Engel seine rechte Hand bewegte. Das Zeichen war klar. Er wollte, dass Pole aus seinem Bett aufstand.
    Noch bewegte sich Gerald nicht. Er schaute erst. Sein Mund stand offen. Kurz und stoßweise ging sein Atem, und dann wurde er angesprochen, wobei die Stimme einen
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